In dieser Folge von "15 Minuten Lyrik" entdecken Lilli Kim Schreiber und Jan Söffner ein weiteres fesselndes Gedicht - Giuseppe Ungarettis "Mattina". Dieses berühmte Werk aus dem Jahr 1917, das mitten im Ersten Weltkrieg entstand, besteht aus einer einzigen Zeile: "M'illumino d'immenso". Das italienische Original beschränkt sich auf vier auf das Äußerste gekürzte Wörter und sieben Silben und enthält fast ausschließlich Vokale und fließende Laute. Ingeborg Bachmann, eine der bedeutendsten deutschsprachigen Lyrikerinnen und Prosaschriftstellerinnen des 20. Jahrhunderts, übersetzte das Gedicht mit "Ich erleuchte mich durch Unermeßliches".
Ungarettis "Mattina" ist wohl eines der wenigen Gedichte, die keine Schwierigkeiten beim Auswendiglernen in der Schule bereiten. Doch das Gedicht besticht nicht nur durch seine Kürze und Prägnanz – oder wie Ungaretti mit seiner "Sprachwäsche" meint, das Wort soll sogar "nackt" sein – , sondern vor allem durch seine hohe Sinndichte. Inmitten von Krieg und Zerstörung treibt Ungaretti den Minimalismus auf die Spitze und entsagt dennoch nicht der Unendlichkeit der Dinge. Viel Spaß mit "Mattina".
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„15 Minuten Lyrik" ist eine Podcast-Produktion vom LitContest in Zusammenarbeit mit Jan
Söffner, Professor für Kulturtheorie und -analyse an der Zeppelin Universität in
Friedrichshafen.
Knapp 15 Minuten lang werden Gedichte gegen alle Regeln der literarischen Kunst zum Klingen gebracht. Klassische Analysekriterien werden beiseite gelegt, Genregrenzen aufgebrochen und über Sprach- und Kulturräume hinweg diskutiert, ganz nach dem Motto:
Popkultur trifft auf Subkultur trifft auf Hochkultur
Credits:
Hosts: Lilli Kim Schreiber & Prof. Dr. Jan Söffner
Redaktion: Lilli Kim Schreiber
Schnitt: Yara Glajcar
Giuseppe Ungaretti:
Mattina
M’illumino
d’imenso
Santa Maria la Longa, 26 gennaio 1917
Übersetzung Ingeborg Bachmann:
Morgen
Ich erleuchte mich
durch Unermessliches
Santa Maria la Longa, 26. Januar 1917