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In der siebten Folge von "15 Minuten Lyrik" widmen sich Lilli Kim Schreiber und Jan Söffner einem Gedicht, das den meisten Hörern aus dem Schulunterricht bekannt sein dürfte. Gottfried Benns "Kleine Aster" könnte man fast als Klassiker der expressionistischen Lyrik lesen, wäre da nicht die starke Obszönität und Morbidität, die dieses Gedicht so außergewöhnlich macht. Das 1912 im Rahmen seines Gedichtzyklus "Leichenschauhaus und andere Gedichte" veröffentlichte Kurzgedicht von nur zwei Strophen spiegelt die Erfahrungen des Dichters und gleichzeitigen Arztes bei der Arbeit in einem Leichenschauhaus, auf Französisch "Morgue" genannt, wider und bietet dennoch Raum für Spekulationen über die Verhältnisse und Lebensrealitäten in der Weimarer Republik.

 

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Die nächste Episode mit einem neuen Gedicht wird alle zwei Wochen auf allen Streamingdiensten von Welle20 veröffentlicht.

 

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„15 Minuten Lyrik" ist eine Podcast-Produktion vom LitContest in
Zusammenarbeit mit Jan Söffner, Professor für Kulturtheorie und -analyse an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

 

Knapp 15 Minuten lang werden Gedichte gegen alle Regeln der literarischen Kunst zum Klingen gebracht. Klassische Analysekriterien werden beiseite gelegt, Genregrenzen aufgebrochen und über Sprach- und Kulturräume hinweg diskutiert, ganz nach dem Motto: Popkultur trifft auf Subkultur trifft auf Hochkultur

 

Vorbereitung
und Moderation der Folge: Lilli Kim Schreiber, Till Gerasch & Prof. Dr. Jan
Söffner

 

Ausführende Produzentin: Yara Glajcar

 

 

Gottfried Benn: Kleine Aster (1912)

Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt.
Als ich von der Brust aus

unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muß ich sie angestoßen haben, denn sie glitt in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!