Listen

Description

Lieber Bruder

Lieber Schwestern

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

„Ich weiß gar nicht, wie ich das alles schaffen soll!“

„O je!“

„Hilfe!“

Sind diese Stoßseufzer und Klagen schon ein Gebet, liebe Schwestern und Brüder?

Oder ist das nur ein Ventil, um Dampf abzulassen, bevor ich platze?

Rogate ist der Name des Sonntags: „Betet!“

Es ist eine Aufforderung zu sprechen und zu klagen. Meine Not oder mein Elend vor Gott zu bringen.

Aber muss das Beten nicht eine Form oder einen Rahmen haben? Kann ich mit meinen Wünschen und Sorgen mich einfach an Gott wenden?

Muss ich nicht vorher erst einmal Danke sagen. Das in den Blick nehmen oder zur Sprache bringen, was mir im Leben von Gott geschenkt worden ist?

Das wird ja manchmal beim Beten empfohlen. Zuerst Gott loben und ihm danken für das, was er mir „Gutes getan hat“.

Das ist ja kein schlechter Rat. Ich neige manchmal dazu, nur das zu sehen, was mich quält oder was mir Sorgen macht. So aber bin ich genötigt, meinen Blick zu weiten, auch die Blumen zu sehen, nicht nur das Unkraut. Diese Erweiterung des Blicks kann auch mein verzagtes Herz ermutigen.

Doch die Forderung vor der Bitte erst einmal Danke zu sagen, macht aus mir ein kleines Kind, das zur Höflichkeit erzogen wird.  Wenn mein Elend oder meine Not oder meine Verzweiflung schon so groß ist, wie kann ich dann noch danken? Es gibt Situationen, da bin ich nur noch Not und Elend, stecke so tief drin im Schlammassel, dass ich nur noch flehen und weinen kann. Leise die Not rausschreien. Zum Himmel oder zu Gott.

Im Buch Jesus Sirach ist von solchen Menschen die Rede. Das Waisenkind fleht. Es hat seine Eltern verloren ist mutterseelenallein und kann nur noch jammern. Eine Witwe klagt und trauert, weil sie ihren Mann verloren hat.

Da ist von Schreien und von Tränen die Rede. Wofür könnten Witwe und Waise noch danken?

Klagen und Flehen ist schon ein Gebet. Ich selbst bin Klage und Bitte. Ich selbst bin Gebet, wie es Martin Buber so treffend formuliert hat. Wenn mein Klagen, Flehen oder Weinen zum Beten wird, dann fließt es nicht nur aus mir heraus, sondern wendet sich an einen, der hört. Einen, der mich in meiner Not sieht. Einen, der mich ansieht. Ohne Ansehen der Person, aber eben gerade deshalb sieht er mich an. Sieht das Waisenkind an, die Witwe, die Menschen, die übersehen werden.

Wenn ich bete, dann vertraue ich darauf, dass einer ist, der meine Worte hört und meine Bedürftigkeit sieht. Der sieht, wer ich bin und was mir fehlt. Im Beten halte ich meine offenen Hände hin und hoffe darauf, dass sie gefüllt werden. Denn ich bin angewiesen auf die Hilfe Gottes.

Das entspricht nicht unserem Menschenbild. In unserer Welt soll ich doch selbst mutig sein und tüchtig oder fleißig. Ich soll jedenfalls einer sein, der sein Leben im Griff hat oder es bald wieder in den Griff kriegt. Beten scheint nicht zu unserem Welt- und einem Menschenbild zu passen. Überall finde ich Ratgeber/innen, die für alle Probleme Mittel oder Lösungen empfehlen. Das kriegt man alles wieder hin.

Aber stimmt das? Trotz allem Fortschritt, trotz Krankenkassen und Beratungsstellen, Rechtsstaat und Rente, kann ich krank werden oder einsam oder hilfsbedürftig. Ich bin eine Angewiesene, ein Bedürftiger. Ich bin ein Bettler, wie es Martin Luther ganz am Ende seines Lebens einmal sagte.

Drückt sich in meiner Bitte nicht genau das aus, was ich als Mensch vor Gott bin? Einer, der darauf hofft, dass seine Hände gefüllt werden, dass seine Bitten erhört werden.........