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Die 22-jährige Gastronomin Antonia Lia Eugster ist eine der aufstrebendsten Newcomerinnen in der Schweizer Poetry Slam Szene. Sie nahm kürzlich bei den ⁠Schweizer Meister:innenschaften⁠  teil. Ihre Texte sind sehr persönlich und handeln vom Schönheitsideal junger Frauen, von einer Essstörung und sexueller Gewalt.

 

Im Podcast-Gespräch mit Ines Schaberger spricht Antonia Lia Eugster über die Schwierigkeit, heute eine junge Frau zu sein, und wie das Schreiben und Sprechen bei der Verarbeitung schlimmer Erfahrungen helfen kann. Dazu präsentiert sie ihre Texte „Mosaik aus gesprochenen Worten“ und „Lia“. 

„Ich schreibe aktuell über sehr ernste Themen. Ich verarbeite meine persönliche Geschichte darin. Poetry Slam kann aber auch sehr lustig sein, Prosa oder Lyrik: Kunst ist, was man daraus macht.“

 

Darüber spricht Antonia Lia Eugster im Fadegrad-Podcast:

01:53   Was ist Poesie eigentlich und kann man davon leben?

03:35   Der erste Text: Mosaik aus gesprochenen Wörtern

09:06   Über "nette Mädchen" und Wut zulassen

11:50   Schönheitsideale und Essstörung

15:31   Poetry Slam: Support oder Konkurrenzdenken?

16:32   Der zweite Text: Lia

23:54   Über Belästigung und sexualisierte Gewalt

28:13   Wer prägt das Bild vom Frausein?

31:23   Liebe

 

In ihrem Text „Mosaik aus gesprochenen Worten“ erzählt Antonia Lia Eugster, wie Kommentare von fremden Männern ihr Körper- und Selbstbild prägten:

 

„Ich bin nicht schüchtern

doch auch mich bringen Worte in Verlegenheit,

zum Beispiel wenn du fragst, warum ich so viele Pickel hab und warum, denn

das ist nicht schön, und eine Frau hat schön zu sein

und dann gibt’s noch ein Tipp von dir

es sei ja nur gut gemeint versicherst du mir.“

Antonia Lia Eugster, in: Mosaik aus gesprochenen Worten

 

Sie erzählt dazu, dass Essen für sie etwas sehr Emotionales sei und ermutigt Betroffene, sich Hilfe zu holen, beispielsweise beim Hausarzt. Antonia Lia Eugster rät jungen Menschen, bewusst auszuwählen, mit welchen Inhalten man sich auf Social Media konfrontieren möchte. 

Dazu fordert sie eine weniger fett-feindliche Gesellschaft, die aufhört, unrealistische Schönheitsideale zu idealisieren. 

 Lia: über sexualisierte Gewalt

Antonia Lia Eugster zeichnet eine offene, herzliche Persönlichkeit aus. Doch Extrovertiertheit wird oft missverstanden und führt zur Katastrophe, erzählt sie im Text Lia. „Mir half es, über mich in der dritten Person zu reden. Lia steht für meinen zweiten Namen, mein früheres Ich, das kleine Mädchen, das einfach nur geliebt werden wollte“, sagt sie dazu. 

Lia erlebt sexuelle Gewalt, als ihre innerliche Einsamkeit „zu eines fremden Mannes Gelegenheit“ wird. 

Der Text erzählt auch vom Hass auf sich selbst, Scham und dem Wunsch nach Intimität und Begegnung.

 

Soforthilfe bei sexueller Gewalt

gibt es beim Kantonsspital St.Gallen: https://soforthilfesg.ch

 

„Auf diesen Text bekomme ich bei Poetry Slams die meiste Resonanz. Leider verbindet mich dieser Text mit vielen anderen Frauen“, sagt Antonia Lia Eugster. Knapp jede vierte Frau (22 Prozent) über 16 Jahre in der Schweiz hat bereits ungewollte sexuelle Handlungen erlebt, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes gfs.bern im Jahr 2019. 12 Prozent erlebten Geschlechtsverkehr gegen ihren Willen, sieben Prozent wurden durch Festhalten oder Zufügen von Schmerzen dazu gezwungen. Sieben Prozent gaben an, Übergriffe durch Unbekannte erlebt zu haben.

Darum ist es Antonia Lia Eugster so wichtig, das Thema sexuelle Gewalt nicht zu tabuisieren. Den Mann aus dem Lia-Text hat sie nicht angezeigt. Lange habe sie die übergriffige Situationen, von Belästigung bis hin zu sexualisierter Gewalt verdrängt, erzählt sie im Fadegrad-Podcast. Liebe bedeutet heute für sie, umgeben von Menschen zu sein, bei denen sie sich wohlfühlen kann, auch in Freundschaften. „Liebe bedeutet für mich, immer mehr zu mir selbst zu finden. Denn mein Inneres sagt mir verlässlich, was sich gut oder schlecht für mich anfühlt. Wie ein innerer Wegweiser.“