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Description

In dieser neuen Folge nach der Sommerpause geht es um einen wichtigen Text Hilde Domins. Zudem wird ihre Biografie mit in den Blick genommen, um zum Verständnis des Textes beizutragen.

Drei Arten Gedichte aufzuschreiben

Ein trockenes Flussbett

ein weißes Band von Kieselsteinen

von weitem gesehen

hierauf wünsche ich zu schreiben

in klaren Lettern

oder eine Schutthalde

Geröll

gleitend unter meine Zeilen

wegrutschend

damit das heikle Leben meiner Worte

ihr Dennoch

ein Dennoch jedes Buchstabens sei

2.

Kleine Buchstaben

genaue

damit die Worte leise kommen

damit die Worte sich einschleichen

damit man hingehen muss

zu den Worten

sie suchen in dem weißen

Papier

leise

man merkt nicht wie sie eintreten

durch die Poren

Schweiß der nach innen rinnt

Angst

meine

unsere

und das Dennoch jedes Buchstabens

3.

Ich will einen Streifen Papier

so groß wie ich

ein Meter sechzig

darauf ein Gedicht

das schreit

sowie einer vorübergeht

schreit in schwarzen Buchstaben

das etwas Unmögliches verlangt

Zivilcourage zum Beispiel

diesen Mut den kein Tier hat

Mit-Schmerz zum Beispiel

Solidarität statt Herde

Fremd-Worte

heimisch zu machen im Tun

Mensch

Tier das Zivilcourage hat

Mensch

Tier das den Mit-Schmerz kennt

Mensch Fremdwort-Tier Wort-Tier

Tier

das Gedichte schreibt

Gedicht

das Unmögliches verlangt

von jedem der vorbeigeht

dringend

unabweisbar

als rufe es

"Trink Coca-Cola"