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In dieser letzten Folge des Jahres 2021 geht es um Wintergedichte aus dem 19. Jahrhundert, die den Winter eher als lebensfeindliche und trostlose Zeit kennzeichnen. Minimal sind da die Töne der Hoffnung, aber es gibt sie!

Winterlandschaft (Friedrich Hebbel)



Unendlich dehnt sie sich, die weiße Fläche,

Bis auf den letzten Hauch von Leben leer;

Die muntern Pulse stockten längst, die Bäche,

Es regt sich selbst der kalte Wind nicht mehr.



Der Rabe dort, im Berg von Schnee und Eis,

Erstarrt und hungrig, gräbt sich tief hinab,

Und gräbt er nicht heraus den Bissen Speise,

So gräbt er, glaub ich, sich hinein ins Grab.



Die Sonne, einmal noch durch Wolken blitzend,

Wirft einen letzten Blick aufs öde Land,

Doch, gähnend auf dem Thron des Lebens sitzend,

Trotzt ihr der Tod im weißen Festgewand.

Alles still! (Theodor Fontane)



Alles still! Es tanzt den Reigen

Mondenstrahl in Wald und Flur,

Und darüber thront das Schweigen

Und der Winterhimmel nur:



Alles still! Vergeblich lauschet

Man der Krähe heisrem Schrei.

Keiner Fichte Wipfel rauschet,

Und kein Bächlein summt vorbei.



Alles still! Die Dorfeshütten

Sind wie Gräber anzusehn,

Die, von Schnee bedeckt, inmitten

Eines weiten Friedhofs stehn.



Alles still! Nichts hör ich klopfen

Als mein Herze durch die Nacht -

Heiße Tränen niedertropfen

Auf die kalte Winterpracht.

Winternacht (Johann von Eichendorff)

Verschneit liegt rings die ganze Welt,

Ich hab‘ nichts, was mich freuet,

Verlassen steht der Baum im Feld,

Hat längst sein Laub verstreuet.

Der Wind nur geht bei stiller Nacht

Und rüttelt an dem Baume,

Da rührt er seinen Wipfel sacht

Und redet wie im Traume.

Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,

Von Grün und Quellenrauschen,

Wo er im neuen Blütenkleid

Zu Gottes Lob wird rauschen.