Listen

Description

Robert Gernhardt wird gerne in die Tradition Wilhelm Buschs gestellt und das zurecht, hat er mit diesem doch den satirischen Tonfall und die Doppelbegabung als Dichter und Zeichner gemein. Man verkennt Gernhardt aber, wenn man ihn darauf reduziert. Sein Werk kennt auch existenzielle Themen, wie am Beispiel zweier Gedichte zum Thema 'Körper' gezeigt werden soll.

Siebenmal mein Körper

Mein Körper ist ein schutzlos Ding,

wie gut, daß er mich hat.

Ich hülle ihn in Tuch und Garn

und mach ihn täglich satt.

Mein Körper hat es gut bei mir,

ich geb' ihm Brot und Wein.

Er kriegt von beidem nie genug,

und nachher muß er spein.

Mein Körper hält sich nicht an mich,

er tut, was ich nicht darf.

Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,

ihn machen Körper scharf.

Mein Körper macht nur, was er will,

macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn.

Ich wasche und beschneide ihn

von hinten und von vorn.

Mein Körper ist voll Unvernunft,

ist gierig, faul und geil.

Tagtäglich geht er mehr kaputt,

ich mach ihn wieder heil.

Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank,

er tut mir manchmal weh.

Ich bring ihn trotzdem übern Berg

und fahr ihn an die See.

Mein Körper ist so unsozial.

Ich rede, er bleibt stumm.

Ich leb ein Leben lang für ihn.

Er bringt mich langsam um.

Noch einmal: Mein Körper

Mein Körper rät mir:

Ruh dich aus!

Ich sage: Mach ich,

altes Haus!

Denk aber: Ach, der

sieht´s ja nicht!

Und schreibe heimlich

dies Gedicht.

Da sagt mein Körper:

Na, na, na!

Mein guter Freund,

was tun wir da?

Ach gar nichts! sag ich

aufgeschreckt,

und denk: Wie hat er

das entdeckt?

Die Frage scheint recht

schlicht zu sein,

doch ihre Schlichtheit

ist nur Schein.

Sie läßt mir seither

keine Ruh:

Wie weiß mein Körper

was ich tu?