„Stell dir vor“, sagt Lilith im Herbst 2014 in der armenischen Hauptstadt Jerewan zu Katerina Poladjan, „du erzählst die Geschichte deines Großvaters, und jemand sagt dir, dass sie nicht wahr ist, dass du lügst“
Katerina Poladjan schreibt dazu: „Ich habe einen armenischen Namen. Ich kann kein Armenisch. Ich lausche den Worten und verstehe sie nicht. Ich höre nur das Raunen, das Rauschen. In Armenien konnte ich mich auf Russisch unterhalten. Ich bin hingefahren, ich wollte das Land sehen, dem ich meinen Namen verdanke.“ In diesem Kontext ist ihr dritter Roman „Hier sind Löwen“ entstanden, eine Spurensuche, eine Tiefenbohrung: Die Buchrestauratorin Helen ist in Moskau geboren, ihre Familie kommt jedoch aus Armenien und auf Drängen ihrer Mutter reist sie nach Jerewan, wo ihr eine alte Familienbibel in die Hände fällt. Dieses Buch gehörte einst der 14-jährigen Anahid und ihrem kleinen Bruder, deren Geschichte in einer zweiten Erzählebene entwickelt wird. Poladjan erzählt die beiden durch die Bibel miteinander verknüpften Geschichten.
Katerina Poladjan wurde 1971 in Moskau geboren, kam als Kind nach Deutschland. Sie arbeitet als Schauspielerin und Autorin und lebt mit ihrer Familie in Berlin. 2011 erschien der erste Roman In einer Nacht, woanders im Rowohlt Verlag. 2015 folgte der Roman Vielleicht Marseille und 2016 der literarische Reisebericht Hinter Sibirien. Eine Reise nach Russisch-Fernost, den sie gemeinsam mit dem Autor und Regisseur Henning Fritsch schrieb. 2015 nahm Poladjan am Ingeborg-Bachmann-Preis 2015 teil und 2019 erschien der Roman Hier sind Löwen, der für den Deutschen Buchpreis nominiert war.
Abdalrahman Alqalaq ist ein syrisch-palästinensischer Lyriker, der in Damaskus geboren wurde und nun in Deutschland lebt.
Beide verbindet die Liebe zum Wort und zum Spiel: Katerina Poladjan und Abdalrahman Alqalaq. Für die Plattform Weiterschreiben.Jetzt haben sie sich wechselseitig geschrieben, über Gott und Teufel, ihrer Sehnsucht nach Katzen, von Kampffliegern und trauernden Zitronenbäumen. Und über die Frage: Was tue ich eigentlich hier auf dieser Welt?
Nach der Lektüre von Hier sind Löwen schreibt Abdalrahman Alqalaq an Katerina Poladjan:
„Hätte ich Deiner Protagonistin etwas sagen können, hätte ich ihr ein paar Sätze aus einem Text zugeflüstert, den ich im September 2015 an einen Freund schrieb, als ich befürchtete, die griechische Küste niemals zu erreichen. Ich würde Anahid sagen: Bevor du deine Heimat verlässt, leg das Verlangen ab, das Denken und die Erinnerung an den Duft der Haut der Menschen, die du liebst. Wenn du kannst, zerreiße die inneren Bilder.“