Unsere Trinkgeld-Mentalität scheint im Keller zu sein. Menschen halten sich zurück, geben oft gar nichts, wenn der Pizzabote in den vierten Stock hinaufgeschnauft kommt oder runden in der Kneipe auf den nächsten vollen Euro auf. Vom Friseur ganz zu schweigen. Jetzt werden immer mehr Rufe laut, wonach wir doch bitte – vor allem in der Gastronomie – besseres Trinkgeld geben sollten. Schließlich seien die Menschen darauf angewiesen. Und tatsächlich bewegen wir uns auf amerikanische Verhältnisse zu, wo Kellner und Kellnerinnen quasi vom Trinkgeld leben müssen. Auch hier arbeiten über die Hälfte der Beschäftigten in Minijobs oder befristeten Arbeitsverhältnissen zu Mindestlohn. Ihr Arbeitsplatz ist extrem unsicher und ihre Bezahlung schwankt je nach Gästeaufkommen. Das führt uns zu der Erkenntnis: Es ist einigermaßen komisch, dass die Gäste den Geiz der Wirte und die unzureichende Bezahlung des Servicepersonals subventionieren sollen. Wir finden, das ungeschriebene Gesetz, Trinkgeld geben zu müssen, gehört abgeschafft! Denn was vordergründig nützlich erscheint, Bargeld steuerfrei in der Tasche zu haben, erweist sich auf lange Sicht als fatal. Dieses Geld zahlt weder auf die Rente noch auf die Sozialversicherung ein, generiert kein Arbeitslosengeld und keine Pflegeversicherung. Der Arbeitgeberanteil entfällt ohnehin. Also: Weg mit dem Trinkgeld und hin zu gerechten Löhnen und Gehältern. Wie das klappen kann und wie das am Ende der gesamten Branche helfen könnte – darum geht's in unserer neuen Folge.
Darüber haben wir mit folgenden Menschen gesprochen.
Oliver Riek, Kellner, Autor und Comedian
Christian Stegbauer, Sozialwissenschaftler
Karin Vladimirov, Gewerkschaftlerin, ngg
Simon Horn, Gastronom
Marc Schumacher, Hotelier
Lucy, Flugbegleiterin (möchte lieber anonym bleiben :))
Hier geht's zum Transkript der Folge