Freitag, 14. Februar 2025
Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn auch für nichts geachtet.
Jesaja 53,3
Sehet, welch ein Mensch!
Johannes 19,5
Am Kreuz
Vor 10 Tagen hatten wir mit der Losung das dritte sog. "Gottesknechtslied" aufgeschlagen, heute nun das Vierte und Letzte. Darin wird der leidende Gottesknecht beschrieben - eine prophetische Schau auf Jesus in seinem Leiden und Sterben; und das immerhin runde 700 Jahre v.Chr.!
Der nahe Osten gehört zu einem Kulturkreis, den wir eine Scham-und-Ehre-Kultur nennen im Gegensatz zu uns in Westeuropa, das zur Schuld-und-Strafe-Kultur gehört. Darum entstammt die Kreuzigung auch dem Orient, weil sie neben den körperlichen Qualen vor allem auf die Entehrung und Beschämung und psychische Demontage des Delinquenten abzielte. Das spiegelt sich in der Losung wieder. Um Verachtung geht es; "dass man das Angesicht vor ihm verbarg" - dazu sagen wir heute: "Fremdschämen". Und der Prophet setzt noch einmal nach und spricht im "wir": "Wir haben ihn auch für nichts geachtet". Damit vollzieht er etwas Wesentliches, dass auch für uns von so großer Bedeutung ist, wenn wir die Passionsgeschichte lesen: Nicht nur distanzierter Beobachter bleiben nach dem Motto: "Wie kann man nur! Ich würde so etwas nie tun!", sondern selbst Teil des Geschehens werden und sich fragen: "Wer bin ich in dieser Geschichte?"
Der Lehrtext bietet uns heute den berühmten Ausruf von Pontius Pilatus, mit dem er Jesus der Volksmenge präsentierte - gegeißelt, in Purpur gehüllt und mit einer Dornenkrone gekrönt. Er selbst ist von der Unschuld von Jesus überzeugt. Was meint Pilatus mit diesem Ausruf? Rechnet er mit einer Aufwallung von Erbarmen bei den Leuten, wenn sie erst den gegeißelten Jesus sehen würden? Hofft er darauf, dass die Leute angesichts des Blutüberströmten Genugtuung verspüren und nicht mehr seine Hinrichtung fordern würden? Doch die Rechnung geht nicht auf - als die Hohenpriester und Volksmenge Jesus sehen, geht das Geschrei los: "Ans Kreuz! Ans Kreuz!" Eine schaurige Szene. Nein, man mag nicht hingucken, da hat Jesaja vollkommen recht; man möchte das Angesicht verbergen. Doch Pilatus hat auch Recht: Es ist gut und heilsam, hinzuschauen auf "Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens." (Hebräer 12, 2) Der Evangelist Johannes, der uns den Ausruf des Pilatus überliefert, erzählt ganz am Anfang seines Evangeliums ebenfalls davon, dass da einer rufend auf Jesus zeigt. Es ist Johannes der Täufer, der ruft: "Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!" (Johannes 1, 29) Beide Ausrufe gehören zusammen.
In Jesus bist du gesegnet; wo immer sich Unansehnlichkeit und Beschämung auf dein Leben gelegt haben - Jesus hat sie mit sich aufs Kreuz genommen.
In Jesus bist du gesegnet; "sein Kreuz bedeckt deine Schuld. Sein Blut macht hell dich und rein."
https://www.youtube.com/watch?v=9uZSUfi8Fgs
https://www.youtube.com/watch?v=LWyDBKDxKJo