Der HERR schafft Recht den Waisen und Witwen und hat Fremdlinge lieb, dass er ihnen Speise und Kleider gibt. Darum sollt ihr auch die Fremdlinge lieben. 5. Mose 10, 18-19
Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich aufgenommen. Matthäus 25,35
Den Fremdling lieben
Die Wurzeln des Volkes Israel lagen in einer Familie und Sippe, die als Nomaden umherzogen und unablässig erlebten, als "Fremde" wahrgenommen zu werden: Abraham und seine Nachkommen. Daraus ergab sich eine Verpflichtung, die auch in der heutigen Losung durchklingt, nämlich für die "Fremdlinge" und damit weitgehend Rechtlosen eine offene Tür und ein offenes Herz zu haben. An einen Gott zu glauben, der nicht nur auf der Seite der Stärkeren steht, der Mächtigen, Wohlhabenden und Alteingesessenen, sondern ein Herz hat gerade für die "Anderen", "Fremden" und vom Leben Benachteiligten, war außergewöhnlich. - Blätter können sich bekanntlich schnell wenden: Wer heute "Alteingesessener" ist, kann morgen schon selbst zum Fremdling werden. Mit ihm also umzugehen, wie man selbst möchte, dass mit einem dann umgegangen wird, ist eine gute Maxime. - Ein Wort, das in unserer heutigen Situation von brennender Aktualität ist!
Im Gleichnis vom Weltgericht, dem der heutige Lehrtext entnommen ist, geht Jesus noch einen Schritt weiter: Er selbst kommt in der Gestalt des Fremden zu uns. Das bedeutet doch: Wenn Jesus zu uns kommt, dann nicht immer als der, den wir schon von weitem als altvertraut und gut bekannt erkennen. So können uns auch auf unserem geistlichen Weg Dinge wiederfahren und begegnen, die uns zunächst fremd sind: Erfahrungen, Gedanken, Empfindungen, Reaktionen, die uns an uns selbst alles andere als vertraut sind. Reflexartig neigen wir dann oft dazu, sie zur Seite zu schieben. Das Fremde mag den einen oder anderen zwar auch neugierig zu machen; aber allzu gerne bleiben wir im engen Horizont des Altvertrauten. So kann es passieren, dass wir uns selbst nicht mehr zu kennen glauben, ja, uns in uns selbst fremd fühlen. Dann gibt es gerade und in besonderer Weise, "den Fremdling zu lieben". Wer weiß denn, ob nicht gerade in dem Fremden, Unbekannten, Ungewohnten uns der HERR begegnen will? Und ist es nicht gut zu wissen, dass Jesus in und an uns niemals etwas fremd ist?
So sei gesegnet mit einem offenen Herzen für den Fremdling und Bedürftigen um dich her.
Sei gesegnet mit einem ebenso offenen Herzen für das Fremde und Unvertraute in dir.
Sei gesegnet und gewärtig, dass dir in allem Christus naht.