Saul sprach zu David: Wo ist jemand, der seinen Feind findet und lässt ihn im Guten seinen Weg gehen? Der HERR vergelte dir Gutes für das, was du heute an mir getan hast!
1. Samuel 24,20
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Römer 12,17
Der Güte Raum geben
Längst war David von Samuel zum zukünftigen König von Israel gesalbt worden. Er wusste um seine Lebensberufung und -bestimmung. Eine ganz klare Vision lag auf seinem Leben. Und doch schien in der Realität alles dagegen zu stehen. Saul war noch König und klammerte eifersüchtig an seinem Thron fest. Ja, David war für ihn die Bedrohung schlechthin - wohlwissend, dass bei Gott die Würfel längst zu Davids Gunsten gefallen waren. Und so fristete David - immerhin Schwiegersohn von Saul - mit seinen Leuten über Jahre das Leben eines Gejagten und Verfolgten.
Da bot sich durch einen glücklichen Zufall eines Tages die Gelegenheit, Saul hinterrücks aus dem Weg zu räumen. Auf den ersten Blick war das d i e Gelegenheit, geradezu ein Geschenk des Himmels! Wer hätte es David verdenken können, auf diese Weise seiner Bestimmung, König zu werden, ein wenig nachzuhelfen? Muss man nicht manchmal auch etwas dafür tun, damit eine Vision Wirklichkeit wird?
Doch David wusste: Sein Königtum wäre von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen, wenn es mit einem Attentat auf den "Gesalbten des HERRN", den amtierenden König Saul begonnen hätte. Auf ihm hätte immer der Schatten der Illegitimität gelegen. Er wusste: Wenn er selbst in Zukunft als der "Gesalbte des HERRN" eine gewisse Unantastbarkeit genießen wollte, musste er genau diese jetzt auch Saul gewähren. Er lässt Saul ungeschoren und gibt sich stattdessen zu erkennen. Dem darauf folgenden Gespräch zwischen den beiden ist die heutige Losung entnommen. Saul erkennt ohne Umschweife die moralische Überlegenheit seines Erzfeindes David an - was ihn übrigens nicht gehindert hat, zu einem späteren Zeitpunkt David wieder nach Leib und Leben zu trachten!
Wer Böses mit Bösem vergilt - so im heutigen Lehrtext - begibt sich auf gleiche Stufe wie sein Gegner. Das Argument unserer Kindertage "...der hat doch aber auch!" und "der hat angefangen!" zieht nicht. Unrecht und Gewalt werden nicht dadurch legitim, dass sie Vergeltung für erlittenes Unrecht sind. Auch, wenn unsere Welt nach dem Motto: "Wie du mir, so ich dir" tickt, wird dadurch nichts besser. Hätte Jesus (übrigens der "Davidssohn") am Kreuz so gehandelt, wäre keine Erlösung zustande gekommen. Das Böse lässt sich tatsächlich nur mit Gutem überwinden. Vielleicht nicht gleich und sofort. Es bedarf des langen Atems eines David, der davon überzeugt war, dass selbst eine Lebensberufung kein Unrecht rechtfertigt und Gott am Ende immer zu seinem Ziel mit uns kommt. Bestimmt.
So segne dich der Vater mit seiner ganzen Güte und mache dich mehr und mehr zu einem gütigen Menschen.
Es segne dich der Sohn mit großer Entschiedenheit, niemals mit dem Bösen gemeinsame Sache zu machen.
Es segne dich der Heilige geist: Er sei Gottes langer Atem in dir.