Listen

Description

Wenn du dich auf die Reise machst, um die verlassenen Orte Ungarns zu erkunden, betrittst du nicht nur physisch vergessene Räume, sondern auch die Schatten längst vergangener Zeiten. Ungarn, im Herzen Europas gelegen, ist ein Schatzkästchen für Urban Explorers – seine Geschichte, gezeichnet von Kriegen, Revolutionen, Industrialisierung und politischem Wandel, hat eine Vielzahl faszinierender Ruinen hervorgebracht. Dabei reichen die Schauplätze von maroden sozialistischen Industrieanlagen über aufgegebene Krankenhäuser bis hin zu halbverfallenen Villen, die noch immer vom Glanz der K.u.K.-Monarchie träumen.

In vielen Teilen Ungarns triffst du auf Orte, die vom Zahn der Zeit gezeichnet sind, aber noch heute eine beinahe greifbare Atmosphäre verströmen. Der Reiz dieser Locations liegt nicht nur in ihrer visuellen Wirkung, sondern auch in den Geschichten, die sie zu erzählen scheinen – wenn du genau hinhörst. Besonders spannend ist dabei der Kontrast zwischen ländlicher Stille und urbaner Auflösung: In kleinen Dörfern findest du leerstehende Schulen oder verlassene Gemeindehäuser, die wie eingefrorene Zeitkapseln wirken. In Städten wie Budapest wiederum stößt du auf gewaltige, stillgelegte Fabriken oder ehemalige Kasernen, deren Betonwände inzwischen von Street Art überwuchert sind.

Wenn du diese Orte fotografierst oder filmst, wirst du schnell merken, dass du nicht einfach nur Bilder machst – du dokumentierst eine Parallelwelt. Urbex-Fotografie in Ungarn bietet dir eine große stilistische Bandbreite: Du kannst mit natürlichem Licht arbeiten, das durch zerbrochene Fenster fällt, den Staub in der Luft sichtbar machen oder mit Drohnen spektakuläre Perspektiven einfangen. Besonders eindrucksvoll wird es, wenn du dich mit Langzeitbelichtungen spielerisch der Zeit annäherst oder mithilfe von Spiegelungen und Symmetrien die bizarre Schönheit des Zerfalls einfängst.

Beim Filmen hast du noch mehr Möglichkeiten, Atmosphären zu erzeugen. Überlege dir, wie du Töne – etwa knarrende Dielen, tropfendes Wasser oder das entfernte Rauschen des Windes – in deine Aufnahmen integrieren kannst. Ungarn hat viele Lost Places, die nahezu filmreif wirken. Gerade wenn du Narrative einbauen willst, etwa für Dokumentationen oder experimentelle Kurzfilme, kannst du mit Interviews ehemaliger Arbeiter, Archivaufnahmen oder Voice-over-Texten zusätzliche Tiefe erzeugen.

In Ungarn wächst die Urbex-Szene langsam, aber stetig. In sozialen Netzwerken bilden sich Gruppen, die Koordinaten austauschen, Erfahrungen teilen und sich gegenseitig auf dem Laufenden halten. Dabei stellt sich immer wieder die ethische Frage: Wie gehe ich respektvoll mit diesen Orten um? Viele Lost Places sind nicht nur gefährlich, sondern auch kulturell oder architektonisch wertvoll. Gerade in Ungarn, wo der Denkmalschutz mit begrenzten Ressourcen arbeitet, kann deine Arbeit als Fotograf:in oder Filmemacher:in dazu beitragen, Aufmerksamkeit für den Erhalt oder zumindest die dokumentarische Sicherung dieser Orte zu schaffen.

Aktuell gibt es auch politische Spannungsfelder, etwa wenn es um ehemalige sowjetische Militärstützpunkte geht. Einige werden bewusst der Natur überlassen, andere wiederum stehen im Fokus von Investoren, die sie in Luxuswohnungen verwandeln wollen. Auch die Umwidmung alter Thermalbäder oder Heilstätten zu hippen Wellness-Hotspots ist ein Thema, das du in deinem Projekt kritisch begleiten könntest.

Ungarn bietet dir nicht nur klassische Lost Places, sondern auch moderne Ruinen, die aus der wirtschaftlichen Transformation der letzten Jahrzehnte hervorgegangen sind. Einkaufszentren, die nie eröffnet wurden, halbfertige Wohnblöcke, die wie Mahnmale gescheiterter Projekte wirken, oder plötzlich verlassene Bürogebäude – diese Orte erzählen von Träumen, die sich nie erfüllt haben. Gerade hier kannst du mit deiner Kamera nicht nur den Verfall dokumentieren, sondern auch Fragen stellen: Was sagt dieser Ort über unsere Gesellschaft aus? Warum wurde er verlassen?