Gebet ist die Bitte um eine Gabe, die der Gläubige an Gott richtet. Diese Bitte äußert sich aber durchaus nicht bloß in Worten. Wir nehmen ja nicht an, daß
Gott mit Worten (an etwas) erinnert werden muß, daß er vielmehr, auch ohne daß wir bitten, weiß, was uns frommt. Was wollen wir damit sagen? Daß unser Gebet nicht in Silben aufgehen darf, sondern daß die Kraft des Gebetes mehr in der Gesinnung der Seele und in tugendhaften Handlungen, die auf das ganze Leben sich erstrecken, ruht. „Denn mögt ihr essen“, sagt Paulus, „oder trinken oder etwas anderes tun, tut alles zur Ehre Gottes!“ Setzest du dich zu Tisch, so
bete! Nimmst du Brot, so dank’ dem Geber! Stärkst du den schwachen Leib mit Wein, so denk’ an den, der dir die Gabe zur Freude deines Herzens und zur
Behebung deiner Schwächen reicht! Ist die Einnahme der Mahlzeit vorüber, so soll damit die Erinnerung an den Wohltäter nicht vorübergehen. Ziehst du das
Kleid an, so dank’ dem, der es dir gegeben! Wirfst du den Mantel um, so wachse in der Liebe zu Gott, der uns für Winter und Sommer mit passenden Kleidern
versehen hat, mit Kleidern, die unser Leben schützen und unsere Scham decken. Ist der Tag vorüber, so danke dem, der uns die Sonne für das Tagewerk gegeben und das Feuer zur Erhellung der Nacht und zur Befriedigung der übrigen Lebensbedürfnisse verliehen hat! Die Nacht biete weitere Anlässe zum Gebet!
Schaust du zum Himmel empor und betrachtest die Schönheit der Sterne, so bete zum Herrn der sichtbaren Welten, bete an den großen Meister des Weltalls, der alles in Weisheit gemacht hat! Siehst du die ganze lebende Kreatur in Schlaf versenkt, so bete wieder den an, der auch wider unseren Willen durch den Schlaf unsere Arbeiten unterbricht und durch kurze Ruhe uns wieder zur vollen Kraft kommen läßt.