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Description

Wenn du die göttliche Natur ergründen willst, wenn du zu wissen wünschest, was Gott sei, dann merke, daß du es nicht weißt. Darüber brauchst du dich jedoch nicht zu betrüben; denn selbst die Engel wissen es nicht, und auch kein anderes Geschöpf weiß es. Doch bin ich auf den Einwand gefaßt: „Warum glaube ich denn, was ich nicht begreife?“ Ja, warum bin ich denn ein Christ, da ich doch nicht weiß, wie ich ein Christ geworden bin? Ich will ganz einfach sprechen, ehe ich die Heilige Schrift anführe. Mein Christ, warum kommst du dir so unwissend vor? Wenn du weißt, daß du nichts weißt, wirst du dir dann im Gegenteil nicht vorkommen als einer, der ein größeres Wissen sein eigen nennt? Der Heide sieht einen Stein und hält ihn für Gott, der Philosoph betrachtet das Firmament und nimmt in ihm seinen Gott wahr. Andere erblicken die Sonne, und sie scheint ihnen Gott zu sein. Du aber bedenke, wie weit du diese Leute an Wissen überragst, wenn du sagst: „Ein Stein kann nicht Gott sein; die Sonne, die auf Geheiß eines anderen ihre Bahnen wandelt, kann nicht Gott sein“. Unter dem Bekenntnis deiner Unwissenheit verbirgt sich ein größeres Wissen.