Viel Gutes scheint ja in den Augen derer nicht gut zu sein, die kein scharfes kritisches Urteil haben. Es scheinen ja auch gleichschwere Lasten nicht gleichmäßig zu sein, sobald die Waagschalen unter sich nicht das gleiche Gewicht haben. Schon der Honig dünkte manchem bitter, dessen Geschmacksinn von einem Leiden verderbt worden. Sieht doch auch das kranke Auge vieles nicht, was wirklich ist, flunkert aber vieles vor, was in Wirklichkeit nicht ist. Und nun sehe ich oft denselben Fall eintreten bei der Bewertung der Texte, wenn nämlich der Kritiker nicht auf dem Niveau des Schriftstellers steht. Es muss doch ein Kritiker fast mit derselben Vorbereitung an den Text herangehen wie dessen Autor. So kann doch einer Arbeiten über den Landbau nicht beurteilen, wenn er nicht selbst Landwirt ist. Und wer sich nicht auf die Musik versteht, wird über disharmonische und harmonische Töne in der Musik nicht urteilen. Textkritiker aber soll der nächste Beste sein können, wenn er auch niemand als seinen Lehrer angeben kann, noch eine Zeit, in der er gelernt hat, noch überhaupt mehr oder weniger von der Wissenschaft versteht. Ich aber sehe, dass auch bei den Aussprüchen des Geistes nicht jedem erlaubt ist, sich an eine Prüfung der Worte heranzumachen, sondern nur dem, der den Geist der Unterscheidung hat.