Von uns wird sich niemand aus irgendwelcher Lebenslage dem Danke verschließen, wenn er alles vernünftig überlegen will. Das Leben eines jeden aus uns bietet ja zahlreiche erfreuliche Betrachtungsmöglichkeiten, sofern wir nur auf die unter uns Stehenden schauen wollten und so aus einer Vergleichung unserer guten Lage mit einer weniger guten ermessen möchten, wie gut wir es haben. Du bist Knecht? Du hast dann doch einen, der tiefer als du stehst. Danke, daß du über dem einen stehst, daß du nicht zur Mühle verdammt bist, daß du keine Schläge erhältst! Doch auch diesem verbleibt noch mancher Anlaß zum Danke. Er trägt keine Fesseln, ist an kein Holz gebunden. Der Gefesselte aber hat mit dem Leben Anlaß genug zum Danke: Er sieht die Sonne, atmet die Luft; dafür weiß er Dank. Du wirst ungerecht gestraft? Freue dich der Hoffnung auf die künftigen Güter! Du wardst mit Recht verurteilt? Auch dann danke, daß du hier für deinen Übermut büßen kannst und nicht wegen ungebüßter Sünden ewiger Strafe überantwortet wirst. In diesem Sinne kann ein verständiger Mensch für sein ganzes Leben und in allen Lebenslagen dem Wohltäter für gewährte Güter innig danken. — Nun aber sind die meisten Menschen mißvergnügt, weil sie ihr gegenwärtiges Glück nicht schätzen und nach Gütern verlangen, die nicht zur Verfügung stehen. Sie zählen nicht die, welche dürftiger als sie sind, um so dem gütigen Geber ihrer Gaben zu danken, sondern sie vergleichen sich mit den reicheren und denken an ihr Defizit, jammern und klagen über die Glücksgüter der andern, als wären sie der eigenen beraubt worden.