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Zweieinhalb Jahre nach dem ChatGPT-Launch ist klar: KI-Tools haben die Textbranche revolutioniert. Im aktuellen Podcast der Text Akademie erklärt Chris Sidow, erfahrener Texter und Dozent, den Wandel im Berufsalltag.

KI – Fluch oder Segen? «Eher Segen», antwortet Chris Sidow auf die zentrale Frage. Die Aufgaben von Texterinnen und Textern haben sich nicht geändert, aber ihre Arbeitsweise hat sich starkverändert. «KI-Tools sind heute unverzichtbar. Ohne sie zu arbeiten, ist wie mit der Schreibmaschine gegen den Computer anzutreten». Insbesondere in der Texter-Ausbildung zeigt sich diese Entwicklung: Wenn heute Headlines oder Claims entwickelt werden, nutzen Schülerinnen und Schüler KI-Tools völlig selbstverständlich. Diese Technologie gehört einfach dazu – ablehnende Haltungen gegen KI-Tools sind nicht mehr aktuell.

Die Gefahr des Durchschnitts

Das grösste Risiko sieht der Experte in der Mittelmässigkeit: «Was aus der Maschine kommt, ist meistDurchschnitt». Large Language Models produzieren durch Wahrscheinlichkeitsrechnungen oft austauschbare Texte. Unternehmen, die auf professionelle Texterinnen und Texter verzichten, riskieren die Differenzierungihrer Marke. Wenn Firmen mit durchschnittlichen Texten zufrieden sind, nur weil sie fehlerfrei und einigermassen klar sind, könnte die gesamte Kommunikationslandschaft leiden. Die Werbung soll eigentlich Marken von ihren Mitbewerbern unterscheiden. Doch diese Differenzierung gerät in Gefahr.

Kritisches Denken ist die neue Schlüsselkompetenz

Sidow beschreibt den Wandel der Berufsrolle grundlegend: Das kritische Denken wird zur Schlüsselkompetenz, denn Large Language Models wollen gefallen und formulieren auch den grössten Unsinn sehr überzeugend. Hier ist die menschliche Erfahrung gefragt, um beurteilen zu können, was gut ist und was nur Durchschnitt. Prompt Engineering entwickelt sich parallel zur neuen Kernfähigkeit – wie man mit der Maschine kommuniziert,entscheidet über die Qualität der Ergebnisse.

Frankenstein-Texte: Die kreative Symbiose

Eine seiner Arbeitsmethoden nennt Sidow «Frankenstein-Texte». Er sagt: «Ich lasse mir mehrere Vorschläge von der Maschine machen und nehme dann einzelne Formulierungen heraus. Sozusagen ein Best-of.» So entstehen aus verschiedenen KI-Outputs individuelle Texte. Es ist eine kreative Mischung aus maschineller Unterstützung und menschlicher Gestaltung. Der KI-Output dient als Rohmaterial für die weitere kreative Arbeit.

Nachwuchsförderung bleibt essenziell

Sidow warnt vor kurzsichtiger Sparsamkeit inmitten der KI-Euphorie. «Es ist entscheidend, Junior-Texterinnenund Texter auszubilden», betont er. «Nur so haben wir auch in Zukunft Profis, die den KI-Output professionell beurteilen und damit weiterarbeiten können.» Andernfalls könnte unsere Branche an Expertise verlieren. In stürmischen Zeiten neigen Agenturen dazu, auf die Nachwuchsförderung zu verzichten und blind aufKI zu setzen. Doch so ein Vorgehen ist bestenfalls eine kurzfristige Lösung. Langfristig mangelt es ohne geschulte Talente an der Fähigkeit zur Qualitätsbewertung. Der Blick nach vorn bleibt entscheidend.

Die Textbranche erlebt einen Paradigmenwechsel

Durch KI steigt die Effizienz, aber die menschliche Kreativität bleibt der Schlüssel zum Erfolg. Texterinnen und Texter, die KI als Werkzeug nutzen und nicht als Bedrohung sehen, werden erfolgreich sein. Die Fähigkeit, KI-Output kritisch zu bewerten, und kreative Feinheiten hinzuzufügen, um einzigartige Markensprachen zu entwickeln, sichert die Zukunft des Berufsstands.Chris Sidow ist Texter und Konzepter in Zürich. Er arbeitet bei der Agentur Therefore und ist Experte für Text, Markenstrategie und Künstliche Intelligenz. Nebenbei unterrichtet er an der Schweizerischen Text Akademie und der Prompt Engineering Academy. Er ist ADC Member sowie Mitglied bei KImpact, dem Verband für Künstliche Intelligenz in der Schweiz, und gilt als Experte für die Verbindung von kreativem Texten und neuen Technologien.