Liebe Leserinnen und Leser,
im Grunde genommen versteht man Wladimir Putin erst dann, wenn man mal versucht, sich in seine Gedankenwelt hineinzuversetzen. Argumentiert man aus der Sicht Putins, dann macht alles Sinn: Die große Wunde über den Zerfall der Sowjetunion, der Ärger über den erfolgreichen Westen und die „logische“ Konsequenz des russischen Überfalls auf die Ukraine.
Wichtig ist am Ende allerdings, dass man auch wieder den Sprung aus dieser Gedankenwelt herausschafft, um zu erkennen, dass Wladimir Putins Argumente weitestgehend auf einer Art Umschreibung der Geschichte beruhen.
Bevor ich Putins Rede vom Freitagabend analysiere, möchte ich Ihnen nochmal vor Augen führen, wie der russische Präsident seine „Spezialoperation“ gegen die Ukraine vor einigen Jahren begründete.
Putin sagte am 24. Februar 2022, dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, wörtlich (Auszüge):
PUTIN: „Ich habe über unsere größten Sorgen und Befürchtungen gesprochen und über die grundlegenden Bedrohungen, die unverantwortliche westliche Politiker Russland Jahr für Jahr konsequent und rücksichtslos auferlegt haben. Ich beziehe mich dabei auf die Osterweiterung der NATO, die ihre militärische Infrastruktur immer näher an die russische Grenze heranrückt. (…) Das umfasst das Versprechen, die NATO nicht um einen Zentimeter nach Osten auszuweiten. Um es noch einmal zu wiederholen: Sie haben uns getäuscht, oder, um es einfach auszudrücken, sie haben uns hinters Licht geführt.“