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Der Staat will unsere IP-Adressen speichern, unsere Gesichter mit KI erkennen, unser digitales Leben durchleuchten – alles natürlich nur für unsere Sicherheit. Doch eine Frage bleibt offen: Wer kontrolliert eigentlich den Staat? Wer garantiert, dass diese Macht nicht missbraucht wird? Der neue Koalitionsvertrag hat darauf kaum eine Antwort.

These:

Während der Staat immer mehr Werkzeuge zur Überwachung seiner Bürger erhält, fehlt es an wirklicher Transparenz, an demokratischer Kontrolle und an Bürgerrechten im digitalen Raum. Es entsteht ein Ungleichgewicht: Wir werden gläsern – der Staat bleibt blickdicht.

Ausgebautes Überwachungsarsenal

Der Koalitionsvertrag erlaubt eine Reihe von Eingriffen in die Privatsphäre:

* Speicherung von IP-Adressen und Portnummern für drei Monate

* Einsatz von KI zur Gesichtserkennung und nachträglichen biometrischen Identifikation

* Verknüpfung öffentlich zugänglicher Bilder aus dem Internet mit Überwachungsvideos

Das ist nicht nur technisch möglich, sondern bald auch politisch gewollt. Was als Schutz vor "schweren Straftaten" verkauft wird, ist ein massiver Ausbau staatlicher Überwachungsbefugnisse – mit schwammigen Grenzen.

Keine Kontrolle durch die Bürger

Trotz dieser tiefgreifenden Eingriffe bleiben neue Kontrollrechte für Bürger Fehlanzeige. Zwar soll das Informationsfreiheitsgesetz reformiert werden, aber ohne konkrete Aussagen. Bürgerräte sollen mitreden dürfen, aber nicht mitentscheiden. Die parlamentarische Kontrolle wird gestärkt, aber nicht öffentlich sichtbarer gemacht.

Macht ohne Gegenmacht

Ein Staat, der seine Bürger bis ins Digitale hinein durchleuchtet, muss sich selbst in gleichem Maße öffnen. Doch davon steht im Koalitionsvertrag nichts. Keine Rede von digitalen Akteneinsichten, Open-Source-Pflichten für Überwachungssoftware, Whistleblower-Schutz oder öffentlicher Auditierbarkeit. Wer die Kontrolle fordert, will sie offenbar nicht selbst ertragen.

Gefahr für trans Menschen

Besonders gefährlich könnte diese neue Überwachungsinfrastruktur für trans Menschen werden. Zwar wird das Selbstbestimmungsgesetz genannt, doch gleichzeitig wird die "bessere Nachverfolgbarkeit" bei Namens- und Geschlechtsänderungen als Ziel formuliert. Was für den Staat Transparenz bedeutet, bedeutet für viele trans Personen reale Gefahr: Zwangsoutings, Verlust von Anonymität, Zugang zu sensiblen Daten. Die Kombination aus digitaler Identität, zentraler Registerführung und biometrischer Verknüpfung schafft neue Risiken für eine ohnehin vulnerable Gruppe.

Fazit: Sicherheit ohne Freiheit ist Überwachung. Freiheit ohne Kontrolle ist Naivität. Was wir brauchen, ist ein digitaler Gesellschaftsvertrag, der nicht nur den Staat schützt – sondern auch die Gesellschaft vor dem Staat. Dieser Koalitionsvertrag bringt viele Daten unter staatliche Kontrolle, aber keine demokratische Kontrolle über den Staat.

Wer überwacht die Überwacher? Immer noch niemand



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