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Description

Dass Sarah Niecke Künstlerin geworden ist, kam ziemlich zufällig. So zufällig, dass es eigentlich gar kein zufälliger Zufall gewesen sein kann. Ihr Weg begann mit viel Widerstand, als sogenannte schwierige Schülerin. Keiner konnte mir wirklich erklären, warum ich tun soll, was ich tun sollte, sagt sie. Bis heute hinterfragt sie die Dinge und übernimmt nicht einfach, was die rationale Effizienzlogik diktiert.

Bis sie ihren Weg zum Kunststudium gefunden hat, waren aber erst noch verschiedene Ausbildungen (wie zB. zur Karosseriebauerin) und das Ausleben einiger innerer Widerständigkeiten nötig. Das hat sich gelohnt, denn ihre Kunstwerke sind enorm ausdrucksstark, auf skurrile Weise ästhetisch und erscheinen oft wie nicht von dieser Welt.

Die wundersamen Bilder und Videos, die sich zum Beispiel in der preisgekrönten Arbeit "alphazero vs. alphazero" finden, wirken wie ein Märchen aus der Zukunft, strahlen weibliche Stärke und einen ironisch-philosophischen Blick auf das Leben aus. Sie erzählt, wie sie ihre Vorstellung von einer KI, die in einem trostlosen Raum immer wieder gegen sich selbst antritt, um sich zu trainieren, inspiriert hat. Und wie sie genau dieses Szenario sogar selbst in der analogen Welt ausprobiert hat.

In ihren Video- und Fotoarbeiten spielt auch ihr eigener Körper oft eine zentrale Rolle. Dabei empfindet sie dieses körperliche Ausprobieren, nicht als zur Schaustellung, sondern eher als Forschungsgebiet, auf das sie neugierig ist. Für sie ist der Ausdruck über Worte viel intimer und tiefgehender.

Obwohl sie schon einige Kunst-Preise abgeräumt hat, arbeitet sie in der Betreuung von jungen Wohnungslosen als Sozialpädagogin. Sie betont, wie genervt sie davon ist, wenn KünstlerInnen meinen, mit ihrer Kunst Menschen aus ihrem Elend retten zu können. Das ist einfach Quatsch, sagt sie, denn aus Erfahrung weiß sie, wie weit weg das Privileg der künstlerischen Arbeit von der Lebensrealität sozial benachteiligter Menschen ist.

Ein solcher Job in Vollzeit kann einem auch schon mal "die Schuhe ausziehen" erzählt sie und spricht ganz offen von ihrer Burn-Out-Phase. Gemeinsam entdecken wir, wie unterschiedlich sich diese für uns darstellen und anfühlen können. Denn antriebslos war sie auch in dieser Zeit nie, obwohl das ja die klassische stereotypisierte Wahrnehmung von Depressionen ist. Sie erklärt ihre ganz spezielle Art, mit den Tiefphasen des Lebens umzugehen und wir fragen uns, wie sie ihre Strategie, die eigentlich gar keine explizite Strategie ist, unbewusst entwickelt hat.

Dass gesellschaftlich gesehen, alles eine gewisse Effizienz nachweisen muss, beobachtet sie schon lange, ohne es selbst in ihr Leben integrieren zu wollen. Deshalb diskutieren wir immer wieder über die große Frage, ob die Fluidität von allem nicht doch viel sinnhafter ist als eine erzwungene Starrheit oder lineare Richtung. Und natürlich gibt es auch in Sarah's Leben Alltagssituationen, in denen sie das, was im Inneren vorgeht, erst mal zurückdrängen muss. In Gespräch gibt sie preis, wie sie das für sich selbst ausgleicht und sie sogar tiefste Tiefphasen auf eine fast genussvolle Art durchleiden kann.

Hört unbedingt rein, denn Sarah spricht völlig locker-flockig und unerschrocken über hoch philosophische Themen und ihre spannende, bisherige Lebensgeschichte.