Bei Detlef Schlagheck lebt dieser nämlich in seinen Ausstellungen und Kunstwerken weiter, auch wenn er die Jahre als Sänger der Punkband "Pommes Brutal" (deren feinsten Sound ihr nach unserem Gespräch hören könnte) längst hinter sich gelassen hat. Detlef führt als Kurator die Kieler Galerien On Space und K34 mit dem Verein K34 und ist Mitglied im Quarantäne Kollektiv (ja den Namen hatte das Kunstkollektiv schon lange vor Corona), das auch schon in Saarbrücken ausgestellt hat.
Seine solidarischen Punk-Grundwerte erkennt man zum Beispiel in dem Kunstwerk „Aldi die schönen Sachen“ aus, das, wie er selber sagt, aufgrund seiner Ironie wirkt und hängen bleibt. Denn er hat einen simplen Aufsteller aus Pappe gebaut, der zwei Obdachlose zeigt, mit denen er sich in seiner früheren Galerie in einem alten Schlecker Laden angefreundet hat. Den Aufsteller hat er in einer Kunstausstellung platziert und damit auf einfache, humorvolle Art einen dramatischen Fakt angesprochen: Kunst wird immer noch viel oft als Teil der Hochkultur angesehen und ist damit nur einer bestimmten sozialen Schicht zugänglich ist. Detlef erzählt, wie er in seinem Studium an der Kunsthochschule dazu aufgefordert wurde, bloß keine zu direkte Aussage in seinen Bildern und Skulpturen auszudrücken. Und sich entschieden hat, dies nicht zu befolgen. Denn er möchte, dass seine Kunst auch ohne jede Vorbildung eine Wirkung hat. Kunstwerken, die reine Ästhetik verkörpern und die nur über viele Deutungs-Ecken in hochtrabender Sprache gedeutet werden können, empfindet er als “blutleer” und geprägt von „ängstlicher Formsprache“.
Für ihn war es deshalb auch ein wichtiger Erfolg, dass er die beiden obdachlosen User, die auf dem Aufsteller von hinten und in Lebensgröße zu sehen sind, damals dazu bringen konnte, sich in die Galerie hinein zu trauen. Er erinnert sich daran, wie die beiden zu einer Vernissage gekommen sind, bei der sonst eher Bildungsbürger anwesend waren. "Zombie", einer der beiden hat bei der Eröffnungsrede „ständig dazwischen gequatscht“. „Ey Zombie halt mal fresse, lass mich mal zu Ende erzählen“, hat aber schnell gewirkt, erzählt Detlef amüsiert, denn die leicht pikierten VernissagebesucherInnen mussten ebenfalls grinsen. Zwei Welten, die aufeinander treffen, sich befremdlich vorkommen, aber freundlich aufeinander reagieren. Und genauso wünscht sich Detlef das auch, denn Kunst ist für ein lebendiger, gemeinsamer, sich entwickelnder Organismus.
Er beschreibt sich selbst als extrem geprägt von der DIY (Do it yourself) Bewegung, deren Arbeitsweise er teils auch in seine unheimlich, figürlich und dennoch zerfließend lebendig wirkenden Skulpturen einwirken lässt. Beim Erbauen der Skulpturen wie den „Leviathan“ startete er mit einem Holzgerüst, einer Art Skelett, die der Hülle aus schwarzem Plastik, seine Form verleiht. Dabei ist es ein hin und her zwischen Intuition, die ihn beim Formieren der Holzstücke leitet und dem rationalen Wissen, über zum Beispiel Statik oder wie er ein bestimmtes Stück anbringen muss, um diese oder jene Form-Vorstellung hinzubekommen. Intuition beschreibt er als Gefühl der Ahnung, als unkontrollierbar. Der Zufall ist für ihn ein Teil der Intuition. Detlef erklärt, wie er gelernt hat, diese für viele Menschen unangenehme, teils sogar angsteinflößende Unkontrollierbarkeit des Lebens wertzuschätzen: Wenn etwas nicht nach Plan läuft, sieht er dies als Zufall, der ihn in eine neue Richtung inspiriert, „ein Wink von außen“ und nicht als Hürde. Denn man kann wochenlang über etwas nachdenken und kommt dennoch nie auf das, was eine scheinbar zufällige, intuitive Erfahrung vermitteln kann.