Listen

Description

Das wichtigste zuerst: Wir hängen das Zøli an den Nagel! Wir hatten große Pläne für eine neue Lifestyle-Bewegung, aber jetzt denken wir uns: Och nee, doch nicht. Mika hat festgestellt, dass sie sich einfach mal wieder dreckig machen muss. Mia wollte einen Typen daten, in dessen Bio steht, er sei sober (wie das ausgegangen ist, erfahrt ihr in der Folge). Wir fragen uns, ob wir anders sind als andere Leute, so mit Abhängigkeitserkrankung im Gepäck. Haben wir ein stärkeres Bedürfnis, ab jetzt alles immer richtig zu machen? Aber was, wenn das nicht klappt?

Wir reden über perfekte Produktivität und Visionen müheloser Tage, an denen wir keine Körper haben. Wieso man sich für manche Erkrankungen schuldig fühlt und was die Nazis damit zu tun haben.

Und weil es immer auch darum geht, Widersprüche auszuhalten, enden wir mit Susan Sontag:

Illness is the night-side of life, a more onerous citizenship. Everyone who is born holds dual citizenship, in the kingdom of the well and in the kingdom of the sick. Although we all prefer to use only the good passport, sooner or later each of us is obliged, at least for a spell, to identify ourselves as citizens of that other place.

Frei übersetzt: Krankheit ist die Schattenseite des Lebens, eine beschwerliche Zugehörigkeit. Von Geburt an besitzen wir eine doppelte Staatsbürgerschaft: die im Reich der Gesunden und die im Reich der Kranken. Obwohl wir es alle vorziehen, ausschließlich den guten Pass zu benutzen, ist jede:r von uns früher oder später gezwungen, sich zumindest für eine Zeit als Bürger:in dieses anderen Ortes verstehen zu geben.

Susan Sontag „Ilness as Metaphor and Aids and its Metaphors” (1989)

Weitere Bücher & Quellen:

Thematisierungskonjunkturen der „Alkoholfrage“: Hasso Spode „Die Macht der Trunkenheit“

Zu den personellen Kontinuitäten der Guttempler von 1933 bis 1970: vgl. Tilmann Holzer, „Die Geburt der Drogenpolitik aus dem Geist der Rassenhygiene – Deutsche Drogenpolitik von 1933 bis 1972“, Kapitel: Die Gleichschaltung des Deutschen Guttempler Ordens, S. 105 ff // Siehe z.B. Theo Gläß)

Auguste Forel: In seinem Werk „Kulturbestrebungen der Gegenwart“ warnte Forel 1910: „Gedankenlos hat der Mensch an gewissen, keimverderbenden Giften, wie dem Alkohol, dem Opium […] sein Vergnügen, aber auch seinen satanischen Verderber gefunden.“ Er beschwört die „Entartung der Rasse“ herauf, mahnt insbesondere den Alkohol zu vermeiden, da seine keimverderbende Wirkung feststehe und forderte die Prohibition. Die Menschheit – lehrte Forel - leide an einer ‚unheilbaren‘ Krankheit der ‚Entmannung, Verweichlichung und Entartung durch sinnliche Genüsse‘. Der Trinker sei eine ‚arge Pestbeule an unserem gesellschaftlichen Körper‘, der fahrlässig die ‚Entartung der Nachkommenschaft‘ in Kauf nehme (Tilmann Holzer 2006, S. 81 / Willi Wottreng 1999, S. 219).

Links zu Forel als Grüner der IOGT Schweiz: https://www.iogt.ch/geschichte & https://www.biologie-seite.de/Biologie/Auguste_Forel#cite_note-6

Degenerationslehre: Der französische Arzt Benedict Morel begründete die sogenannte Degenerationslehre. Er verband zum ersten Mal Substanzgebrauch mit rassenhygienischem Denken (vgl. Holzer 2006): „Die Degenerationen sind krankhafte Abweichungen vom normalen menschlichen Typ, sind erblich übertragbar und entwickeln sich progressiv bis zum Untergang“ (Weingart, Kroll, und Bayertz 1988: 47). 


Hosted on Acast. See acast.com/privacy for more information.