Der Begriff »Freiheit« wurde von den beiden Sprachkritikern Udo Stiehl und Sebastian Pertsch zum Unwort des Jahres 2022 gewählt. »Der Freiheitsbegriff wird von Egoman*innen entwürdigt, die demokratische Gesellschaftsstrukturen rücksichtslos unterwandern«, heißt es in der Begründung. Und weiter: »Wir beobachten, wie sich ein zunehmend aggressiver Umgang miteinander in der Gesellschaft in der Sprache widerspiegelt.«
Differenzierte Diskussionen würden durch Lautstärke und Parolen übertönt. »Das macht auch nicht Halt vor der Umdeutung eines hohen Gutes wie der Freiheit, in deren Namen inzwischen egoistische Forderungen gestellt werden oder absurde Lobpreisungen etwa der Atomkraft als ›Freiheitsenergie‹ entstehen«, so die Sprachkritiker. »Leider hat der verbale Missbrauch des Freiheitsbegriffs alle Erwartungen übertroffen und ist ein verdienter Gewinner dieses Negativpreises.«
Schön und gut. Kann fast jeder nachvollziehen – denkt man. Doch dann spaltet sich die Debatte: Die einen empören sich: »Freiheit« dürfe man sich nicht nehmen lassen. Dass das Wort zur Phrase verkommen sei, würde der allumfassenden Größe dieses Begriffs nicht gerecht, zumal im Iran und in der Ukraine Menschen für die Freiheit ihr Leben lassen.
Und die anderen empören sich über diese Empörer: Es sei unerträglich, dass im Namen der Freiheit hier Corona-Leugner gegen die Maßnahmen laufen, dass es im Namen der Freiheit kein Tempolimit gibt, dass im Namen der Freiheit nicht in das Wirtschaftssystem eingegriffen werden kann, dass im Namen der Freiheit einfach nichts Vernünftiges in diesem Land durchgesetzt werden kann und dass unter dem Begriff der Freiheit plötzlich nur noch neoliberale Politik zu finden ist und und und…
Also, was ist Freiheit? Wer fühlt sich frei? Und wie kann man das? Geht das nur auf Kosten anderer?
Wie kann es in einer Gesellschaft mit so vielen verschiedenen Menschen einen Freiheitsbegriff geben, der die Freiheit anderer ausschließt?
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