Podcast-Beschreibung: Folge 71 - Haltungsform egal
Über diese Folge
"Wir hoffen, ihr habt schon gegessen" - mit dieser Warnung steigen Tim Koschwitz und Djamil Deininger in eine der kontroversesten Debatten unserer Zeit ein. Ausgelöst durch die jüngsten Greenpeace-Enthüllungen über katastrophale Zustände in EDEKA-Zulieferbetrieben stellen sich die beiden Radiojournalisten der unbequemen Frage: Sind Tierwohl-Siegel nur Augenwischerei oder echter Fortschritt? Die Zahlen sind ernüchternd: Über 80 Prozent des in Deutschland konsumierten Fleisches stammt aus den untersten Haltungsformen 1 und 2, während Bio-Fleisch bei gerade mal 5 Prozent dümpelt.Eine Folge, die tief unter die Haut geht und zeigt, wie sehr unsere Konsumentscheidungen unseren Werten widersprechen - und ob das vielleicht sogar systembedingt ist.
Tim Koschwitz (Pro-Position): "Haltungsform ist egal - nur der Preis zählt"
Kernargumente:
Realität an der Kasse:
Über 80% des Fleisches kommt aus den schlechtesten Haltungsformen 1 und 2
Bio-Fleisch liegt bei nur 5% Marktanteil - seit Jahren stagnierend
Deutsche kaufen 500-Euro-Grills, aber 63-Cent-Wurst (6er-Pack für 3,74€)
Bei 27 Grad Wetter geht der typische Deutsche zum Discounter für Billigfleisch
Verbraucherverhalten ist unverbesserlich:
51,6 kg Fleischkonsum pro Jahr (über 1 kg pro Woche) - viel zu viel
Wiederholte Skandale ändern nichts am Kaufverhalten
Menschen kaufen trotz Wissen um schlechte Bedingungen weiter Billigfleisch
An der Metzgertheke ist Herkunft oft gar nicht ausgewiesen
Systematisches Problem:
Tierwohl-Siegel lenken vom eigentlichen Problem ab: zu viel Fleischkonsum
Massive ökologische Kosten (Soja-Futter aus Südamerika etc.)
Gesundheitliche Probleme durch Überkonsum werden ignoriert
Politik versagt bei verlässlichen Standards
Radikale Lösung nötig:
Hackfleisch sollte 60 Euro pro Kilo kosten - dann würde Qualität automatisch stimmen
Weniger, aber hochwertiges Fleisch wäre besser für alle
Grundsatzfrage: Wer gibt uns das Recht, einfach alles zu fressen?
Djamil Deininger (Contra-Position): "Haltungsstandards sind wichtiger Zwischenschritt"
Kernargumente:
Deutliche Qualitätsunterschiede:
Riesiger Unterschied zwischen Haltungsform 1 (2,2m² pro Kuh) und 4 (doppelt so viel Platz)
Bio-Fleisch schmeckt nachweisbar besser und ist gesünder
Verschiedene Fütterung führt zu anderen Inhaltsstoffen
Pragmatischer Übergang:
Nicht alle können von Fleischkonsum zu Veganismus "springen"
Stufenweise Annäherung vom "Qualzucht zu Halbqual zu einigermaßen okay"
Alternative wäre "entweder Qualzucht oder gar nichts" - das funktioniert nicht
Menschen brauchen realistische Optionen für Verhaltensänderung
Erfolgsbeispiel Deutschland-Ticket:
Volker Wissing: Erfolg durch Angebote statt Verbote
Menschen entscheiden sich für bessere Optionen, wenn sie verfügbar sind
Ohne Wahlmöglichkeiten läge Bio-Anteil noch unter 5%
Demokratische Realität:
Radikale Preiserhöhungen würden AfD auf 80% bringen
Fleisch nur für Reiche wäre sozial ungerecht
Keine Diktatur möglich - Menschen müssen mitgenommen werden
Haltungsstandards animieren Produzenten zu besseren Bedingungen
Gesellschaftliche Entwicklung:
Viele Menschen sind von Tierhaltung völlig entkoppelt
Aufklärung und Bildung nötig (auch beim Kochen ohne Fleisch)
Veränderung braucht Zeit und schrittweise Entwicklung
Eigenverantwortung plus Standards besser als gar nichts
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