Das Verständnis des Selbst und das Wissen über die eigene Identität ist vor dem Hintergrund, dass Kinder heute von ihrer frühesten Kindheit an mit digitalen Devices aufwachsen, extrem wichtig. Am Menschen selbst hat sich nämlich seit dem Neolithikum so gut wie überhaupt nichts geändert: Nach wie vor führen wir Kriege, sind triebgesteuert, gierig, egoistisch, usw. usf. Was die Digitalisierung betrifft, befinden wir uns an einem Scheideweg: Wir können Gutes tun oder Schwachsinn veranstalten. Wir können klug handeln, die Freiheit bewahren und ihr in nie dagewesener Art und Weise neue Räume erschließen. Wenn wir uns dämlich anstellen, können wir uns aber auch zu Gefangenen machen. Entscheiden, welchen Weg er einschlagen will, muss/kann sich letztendlich jeder selbst. Digital Natives: Normalität. Seit längerem wird darüber diskutiert, ob es sinnvoll, richtig und notwendig ist, Kinder schon so früh wie möglich an digitale Technik heranzuführen. Tatsache ist: Jedes Kind, das heute geboren wird, ist ein Digital Native, wächst in die digitale Welt hinein und mit ihr auf. Digitale Devices, so ein oft vorgebrachtes Argument, seien gerade in Phasen, in denen Kinder lernen zu kommunizieren, ideal, auch weil sie schlicht nicht ermüden. Während Oma spätestens nach dem 5. Märchen schlapp macht, quakt der MP3-Player heiter auch noch nach 8 Stunden weiter. Unbestritten eine hilfreiche Erfindung ist auch das digitale Babyphon, mit dem man das Kleine auch videoüberwachen kann. Indes ist und bleibt der Mensch, vornehmlich die Mutter, bis auf weiteres unersetzbar – insbesondere dann, wenn es um die Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten kleiner Kinder geht. Diese Entwicklung ist in den menschlichen Genen angelegt und beginnt schon vor der Geburt. Diese Behauptung kreischt nach Begründung: Die Fähigkeit des Sprechens als die typisch menschliche Form von Kommunikation und Verständigung ist in jedem Exemplar unserer Gattung genetisch angelegt. Noam Chomsky, der Doyen der modernen Linguistik, legte dar, dass jeder Mensch, der über ein Mindestmaß an Intelligenz verfügt, definitiv in der Lage ist, zwar eine Sprache zu erwerben und aus den mehr oder weniger unbewusst aufgenommenen Regeln Tausende neuer Sätze zu bilden, nicht aber zu vergleichbaren Leistungen wie dem Erlernen der Differentialrechnung: Dies könne nur darauf zurückzuführen sein, dass Menschen mit der angeborenen Fähigkeit zum Erlernen mindestens einer menschlichen Sprache ausgestattet sind, völlig egal, in welchem Sprachraum sie aufwachsen. Der Erwerb von Sprache nun ist ein Vorgang von außerordentlicher Komplexität. Sprechen besteht aus Sprache, Sprache aus Wörtern, Wörter aus Silben, Silben aus Phonen. Phone sind die kleinsten möglichen Lauteinheiten. Das ist die abstrakte Ebene. Hinzu kommt die viel wichtigere emotionale Komponente. Kleinkinder haben besonders offene und sensible Sensoren, was die Art und Weise der Kommunikation angeht. In den ersten Lebensmonaten und -Jahren konfigurieren sich in den Gehirnen kleiner Kinder die Grundlagen ihrer späteren Kommunikationsfähigkeiten. Dabei geht es nicht nur um den Spracherwerb und das Sprechen, sondern in besonderem Maße auch um die Qualität und Rahmenbedingungen von Absender-Empfänger-Konstellationen, und hierbei vor allem um solche mit dem Primärobjekt: Der Mutter oder, falls nicht verfügbar, einem adäquaten Mutterersatz. Auf das Äußerste gespannt und aufmerksam beobachten Säuglinge die Mimik ihrer Bezugspersonen. Sie hören und verarbeiten jedes Wort, das sie aus dem jeweiligen, zusätzlich visuell und taktil wahrgenommenen Kontext heraus zu interpretieren lernen. Dementsprechend erfahren Säuglinge und Kleinkinder Medien als Reizquellen, die insbesondere Sehen und Hören ansprechen. Das aktive und dialogische Sich-Mitteilen kann nur in der zwischenmenschlichen Interaktion erlernt werden. Hören und verstehen ...