In der Befürchtung, etwas könnte schiefgehen, glauben die Deutschen, Sachverhalte und Abläufe aller Art bis ins Kleinste ergründen, umsetzen und regeln zu müssen. So werden z.B. in Deutschland ausgetragene Großereignisse wie G-20-Gipfel, Sicherheitskonferenzen, Olympiaden oder Weltmeisterschaften jedes Mal zu Paradebeispielen vorbildlichster, perfektester Planung und Organisation. Genauso verhält es sich mit deutschen Produkten. „Made in Germany“ steht für Solidität, Ausdauer und schier grenzenlose Belastbarkeit. Besser kann man es nicht machen. Große Anstrengungen werden auch unternommen, um den Bereich der Verkehrssicherheit zu regeln. Aus Angst, jemand könnte den Fahrradweg mit dem Vorgarten verwechseln, haben deutsche Stadtverwaltungen keine Hemmungen, sogar mittelalterliche Ortszenerien in undurchdringliche Schilderwälder zu verwandeln. Schizophrenerweise endet die Sicherheitshysterie schon an der nächstbesten Autobahneinfahrt. In keinem anderen Industrieland der Welt ist es erlaubt, das Gaspedal bis zum Anschlag durchzutreten. So etwas ist ansonsten nur in Failed States wie Somalia oder dem Tschad möglich, was in diesen Ländern aber eher auf die totale Abwesenheit einer durchsetzungsfähigen Exekutive zurückzuführen sein dürfte. Natürlich macht es Sinn, in stark frequentierten Verkehrsräumen radelnden Kindern ein Helmchen aufzusetzen und Spielzonen auszuweisen. Zweifel entstehen aber spätestens bei Vorschriften wie z.B. jener, die sich auf das Ausführlichste dem „Fußschutz in der Lebensmittelindustrie“ widmet, um am Ende die „Ausstattung und Einsatzgebiete von S2 Sicherheitsschuhen in Großküchen oder Kantinen“ dahingehend festzuschreiben, dass die Schuhe S2 nach der GUV-R 191 Norm mit „Zehenschutzkappe, Schutz bis zu 200 Joule“ versehen sein müssen sowie Beständigkeit gegen Wasserdurchtritt und Wasseraufnahme des Schuhoberteils zu gewährleisten haben, weil ja „in Küchenbereichen immer mit Flüssigkeiten gearbeitet wird.“ Vom Feinsten. Was wir Deutschen für normal halten, wirkt auf Außenstehende skurril, zuweilen macht man sich im Ausland auch gerne über uns lustig. Die Verbissenheit und Kompromisslosigkeit, mit der die Deutschen ihre Sicherheitsstandards bis ins kleinste Detail und mit an Fanatismus grenzender bürokratischer Akribie verwalten und durchsetzen, wird hier und da mit freundlichem Argwohn, oft aber auch mit herabsetzendem Hohn goutiert. Ob dies gerechtfertigt ist, darüber lässt sich wunderbar streiten. Das mit dem Helm und den Kindern ist unbestreitbar eine gute Sache. Zu viel Sicherheit führt mit Sicherheit zu Unsicherheit Blöde nur, dass die Deutschen ihre Sicherheitshysterie auch auf die Digitalisierung ausgedehnt haben. Bedenklich, ja gefährlich wird diese Mentalität nämlich spätestens dort, wo wir uns mit unseren Eigenheiten selbst behindern. Und wo die nach jahrelangen Diskussionen eingeführten Gesetze, Vorschriften und Verordnungen evident nicht nur unsinnig, sondern ganz klar schwachsinnig sind. Natürlich ist der Schutz der menschlichen Privatsphäre ein Imperativ. Bei der Digitalisierung wird der sicherheitsverliebte deutsche Michel aber nicht darum herum kommen, über seinen eigenen Schatten zu springen. In Deutschland gilt der Grundsatz, nur so wenig personenbezogene Daten wie nötig zu erheben. An dieser Maxime haben sich laut Bundesdatenschutzgesetz § 3a „Datenvermeidung und Datensparsamkeit“ die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten und die Auswahl und Gestaltung von Datenverarbeitungssystemen auszurichten. Leider hat bei den zu Exzessen neigenden Deutschen selbst diese an und für sich vernünftige und gut gemeinte Festlegung eine Eigendynamik entwickelt, die zur Totalblockade der Digitalisierung in Deutschland und zur existentiellen Bedrohung der wirtschaftlichen und kulturellen Weiterentwicklung führte. Jedes Mal, wenn im Angesicht der sich in...