Viele Unternehmer zittern vor Angst: Angst vor der am Horizont sich abzeichnenden digitalen Disruption ihrer Geschäftsfelder. Ganze Branchen sind in Aufruhr. Dabei ist Disruption in aller Regel etwas anderes als das, was häufig als solche bezeichnet wird. Und tatsächlich angstauslösend könnte eigentlich nur eine Technologie oder ein Geschäftsmodell sein, die aufgrund ihres revolutionären Charakters auch die rechtlichen Standards der Volkswirtschaft verändert. Eine solche Veränderung nennt sich Mutation. Der österreichische Mutations- und Disruptionstheoretiker Schumpeter definierte Mutationen als dauerhafte, nachhaltige, qualitative Verschiebungen in der Logik, im Verständnis und in der Praxis kapitalistischer Unternehmen. Auch wenn in vorherigen Beiträgen schon auf das Phänomen Uber eingegangen wurde, möchte ich es nochmals aufgreifen. Wir hatten nämlich festgestellt, dass Uber zwar ein disruptives Geschäftsmodell ist, nicht aber eine Disruption im eigentlichen Sinne. Viele sind darüber hinaus der Befürchtung, Sharing Economy-Modelle wie Uber führten zur Mutation ganzer Volkswirtschaften. Weltweit. Die zweite Welle der digitalen Disruption Zunächst muss eingeräumt werden, dass Uber ein besonderes herausragendes und spektakuläres Beispiel für eine Reihe von Firmen ist, die die Disruption auf ein neues Niveau gehievt haben. Die ersten Disruptoren des digitalen Zeitalters – oder soll man sie besser „Raptoren“ nennen? – umgingen die alten industriellen Strukturen, innerhalb derer digitale Güter und Dienstleistungen an den Endverbraucher gebracht wurden, siehe Apple’s iPod und iTunes: Sie machten es einfach direkt. Der iPod / iTunes-Lieferweg markierte die erste Welle disruptiver digitaler Geschäftsmodelle. Uber repräsentiert nun eine kritisch zu bewertende zweite Welle. Das Unternehmen umgeht die alten und gewachsenen institutionellen Strukturen nicht nur zum Zweck der Emission von Informationen und künstlerischen Inhalten, sondern um von Menschen erbrachte Dienstleistungen direkt zum Kunden zu bringen. Dies geschieht durch die Bereitstellung einer Plattform, die es den Fahrern ermöglicht, mit ihren ansonsten wirtschaftlich nicht genutzten Vermögenswerten Personen zu befördern. Das ist das Grundprinzip. Hierbei handelt es sich eben nicht nur um digitalisierte Informationen, sondern um analoge Fakten. Die Vorteile des „Sharing“-Modells In dieser zweiten Welle, die wir derzeit erleben, steht einiges auf dem Spiel. Dabei kann aus dem "Sharing" –Modell, für das Uber das prominenteste Beispiel ist, viel gelernt werden. Im Kern geht es bei der derzeitigen Welle disruptiver Geschäftsmodelle darum, einzelne Menschen zu jeder Zeit an jedem Ort mit denjenigen Gütern und Dienstleistungen beliefern zu können, die sie dort gerade nachfragen – und zwar zu einem angenehmen Preis. Diese Neuausrichtung hin zu individuell maßgeschneiderten Angeboten erfordert notwendigerweise eine tragfähige Vertrauensbasis. Tatsächlich geht es um eine völlig neue Art von Sozialvertrag, der sich aus dem Versprechen des Anbieters ableitet, die Interessen des Konsumenten nicht nur zu respektieren, sondern, mehr noch, sie zu beschützen. „Wasse erlaube Uber?“ Obwohl das Uber-Sharing-Modell eine tolle Geschäftsidee ist, ist es voller Widersprüche und Gefahren. Offensichtlich ist es nämlich nicht so simpel, überall auf der Welt eine digital vermittelte Dienstleistung anzubieten, wenn die vor Ort agierenden Menschen – und das ist das einzig wirklich Entscheidende – nicht im Sinne des Systemkopfs agieren. So wurde in der indischen Hauptstadt Neu Delhi ein Uber-Fahrer beschuldigt, eine Kundin vergewaltigt zu haben. Dies gab den Anlass, Uber in Neu Delhi zu verbieten. Dem Unternehmen ist es schlicht nicht möglich, seine Fahrer den eigenen Anforderungen entsprechend zu schulen und im Sinne der...