Re-synthesis of Johann Sebastian Bach's Suite for Violoncello in G major, BWV 1007 using Markov chains. Recorded by Ivan Turkalj at Elak Vienna on 7 Oct 2013.
Gemeinsam mit Gerhard Eckel entwickelte ich 1986 das Computerprogramm AFFE, das die Zeichenfolge eines Textes als Matrix von Übergangswahrscheinlichkeiten (nach Andrej Markov) analysiert. Aufgrund dieser statistischen Beschreibung können neue Varianten des Ausgangsmaterials gewonnen werden, die je nach Wahl der Zeichentiefe mehr oder weniger stark vom Original abweichen.
Zunächst experimentierten wir mit literarischen Texten und generierten groteske, surrealistisch anmutende Gedichte. Dann kam mir die Idee, dieses Verfahren an Kompositionen zu erproben. Wie nahmen uns Johann Sebastian Bachs Suite für Violoncello in G-Dur (BWV 1007) vor, eine im Wesentlichen einstimmige Melodie in zumeist durchgehender Sechzehntelbewegung, die zunächst als Zeichenfolge codiert werden musste, bevor der Algorithmus damit gefüttert wurde. Das Resultat der Resynthese - rückübersetzt in musikalische Notation - war in der Tat verblüffend: ein fortwährendes Hin- und Herspringen zwischen den einzelnen Sätzen der Suite, ohne Rücksicht auf motivisch-thematische und metrische Sinneinheiten. Dass dabei aber die harmonischen Zusammenhänge gewahrt blieben, verlieh dem Stück ein beunruhigendes Moment von scheinhafter Logizität. So verwandelte sich Bachs Cellosuite in ein gefährliches Labyrinth abgründiger Zusammenhänge, das die Erwartung des Hörers permanent in die Irre führt und ihn ständig zu einer Neubewertung des Gehörten herausfordert.