Vineta - der bedeutendste Handelsplatz an der Ostsee - hat sein Geheimnis bis heute bewahrt. Mittelalterliche Chronisten berichten von der „größten Stadt Europas“ an der Ostsee: Vineta, das Venedig des Nordens. Bis heute rätseln die Wissenschaftler, wo die Stadt in Vorpommern gelegen hat. Einige Forscher vermuten, dass sie bei einem Feldzug der Dänen 1130 geflutet wurde, indem die Deiche von Oder und Ostsee zerstört wurden. Die überlieferte Sage schmückt die historischen Fakten aus:
„Je mehr Reichtum in Vineta Einzug hielt, desto mehr verfielen die Bewohner aber auch dem Hochmut und der Verschwendung. Bei den Mahlzeiten aßen sie nur die auserlesensten Speisen, und Wein tranken sie aus Bechern von purem Silber oder Gold. Ebenso beschlugen sie die Hufe ihrer Pferde nur mit Silber oder Gold anstatt mit Eisen und ließen selbst die Schweine aus goldenen Trögen fressen. Und Löcher in den Häuserwenden verstopften sie mit Brot oder Semmeln.
Drei Monate, drei Wochen und drei Tage vor dem Untergang der Stadt erschien sie über dem Meer mit allen Häusern, Türmen und Mauern als ein deutliches, farbiges Luftgebilde. Darauf rieten alte, erfahrene Einwohner allen Leuten, die Stadt zu verlassen, denn sähe man Städte, Schiffe oder Menschen doppelt, so bedeute das immer den sicheren Untergang. Aber man gab nichts auf diese Warnungen und verlachte sie nur. Einige Wochen danach tauchte eine Wasserfrau dicht vor der Stadt aus dem Meer und rief dreimal mit hoher, schauerlicher Stimme, dass es laut in den Straßen widerhallte:
"Vineta, Vineta, du rieke Stadt,
Vineta sall unnergahn,
wieldeß se het väl Böses dahn"
Auch darum kümmerte sich keiner, alle lebten weiter in Saus und Braus, bis sie das Strafgericht ereilte. In einer stürmischen Novembernacht brach eine furchtbare Sturmflut über die Stadt herein. Im Nu durcheilte der riesige Wogenschwall die Straßen und Gassen. Das Wasser stieg und stieg, bis es alle Häuser und Menschen unter sich begrub.“
Klaus Goldmann/Günter Wermusch: Vineta, Bergisch Gladbach 2002, S. 42
© Corinna Hesse, Silberfuchs-Verlag, Tüschow/MV 2014, Nachdruck nur mit Genehmigung der Verfasserin,
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