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 Worum geht’s in dieser Folge?

Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum, und zwar das Philosophicum zur 5. Staffel von [Projekt: Leben], in der es ja um die „Feinde“ unserer Personal Projects geht. Im Philosophicum versuche ich immer, ein bisschen über den Tellerrand hinauszuschauen und mir über philosophischere Themen ein paar Gedanken zu machen.

Und für dieses Philosophicum habe ich mir ein aktuelles Phänomen ausgesucht, das nennt sich „die Ökonomisierung unseres Lebens“.

Und das ist, das sage ich gleich vorweg, ein ziemlich schwieriges Thema. Schwierig deshalb, weil es gar nicht so einfach ist zu erklären, was damit gemeint ist. Und trotzdem ist es allgegenwärtig. Aber die Schwierigkeit dabei ist, dass es so präsent ist, dass uns oft gar nicht auffällt - weil es für uns völlig „normal“ ist, so wie es ist und so wie wir leben. Die Ökonomisierung versteckt sich also sozusagen vor unseren Augen. Und dennoch - oder gerade deswegen - möchte ich in dieser Folge den Versuch starten, anhand eines Beispiels zu zeigen, wie ökonomische Motive (und ökonomisch heißt hier nichts anderes als wirtschaftlich) unser Leben beeinflussen. Möge der Versuch gelingen!

Was bedeutet "Ökonomisierung"?

 Ich schlage vor, wir starten mal ganz am Anfang. Ich erkläre mal, was mit „Ökonomisierung“ eigentlich gemeint ist. 

Ökonomie, das ist nichts anderes als ein Fremdwort für Wirtschaft. Und Ökonomisierung ist also sowas wie eine „Verwirtschaftlichung“, in dem Fall eine Verwirtschaftlichung unseres Lebens. Gemeint ist damit, dass immer mehr Bereiche in unserem Leben, also Beziehungen, Bildung, Gesundheit, gesellschaftliches Engagement, Freizeit etc., dass immer mehr dieser Bereiche einer Logik folgt, die eigentlich aus dem Wirtschaftsbereich kommt. Dass Denkweisen und Handlungsweisen, die eigentlich ihren Ursprung in Unternehmen und in der Betriebswirtschaftslehre haben, auch auf Lebensbereiche angewendet werden, die vordergündig gar nichts mit Wirtschaft zu tun haben. Ich werde euch dazu noch ein Beispiel geben, aber das mal zur Erklärung im Groben. 

Jetzt schauen wir uns mal an: Welche Denkweisen und Handlungswiesen sind es denn, die da vom Wirtschaftsleben auf unser gesamtes Leben umgelegt werden? 

Naja, da wäre zuerst mal (und am wichtigsten) das so genannte „ökonomische Prinzip“, oder auch „Wirtschaftlichkeitsprinzip“. Das ökonomische Prinzip kennt im Grunde jeder, aber wahrscheinlich nicht unbedingt unter diesem Namen. Im ökonomischen Prinzip geht es um nichts anderes als das Verhältnis von Input und Output, also von dem, was man einsetzt (der Input) und das was man rausbekommt (der Output). Und die Logik des ökonomischen Prinzips ist jetzt folgende: Wirtschaftlich ist etwas, wenn ich mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel Output bekomme. Also zum Beispiel: Wenn ich mit möglichst wenig Lernaufwand eine gute oder sogar sehr gute Note bekomme. Das wäre aus Sicht der Ökonomie wirtschaftliches Handeln. Oder wenn ich um möglichst wenig Geld eine supertolle Urlaubsreise buche. Denn in der Ökonomie geht es im Grunde um nichts anderes als zu schauen, dass wir möglichst immer wirtschaftlich und möglichst selten unwirtschaftlich handeln. 
Wobei „wir“ in dem Fall eigentlich ein bisschen ungenau ist. Denn ursprünglich geht es der Ökonomie darum, dass Unternehmen möglichst wirtschaftlich handeln. Also z.B. mit möglichst wenig Mitarbeitereinsatz möglichst viel Gewinn machen. Das wäre das ökonomische Prinzip in einem Unternehmen. 

Aber man kann das ökonomische Prinzip auch auf Menschen und das Leben von Menschen umlegen. Und so gesehen bedeutet Ökonomisierung des Lebens, dass diese Logik von Input und Output, die in einem Unternehmen gilt, auch auf den einzelnen Menschen und unser Leben umgelegt wird. Dass also die Frage, ob etwas „wirtschaftlich“ ist oder nicht, immer mehr unserer Lebensbereiche und Lebensentscheidungen (und damit nichts weniger als unsere Personal Projects und unsere Herzensprojekte) beeinflusst. 

So, jetzt ist es aber höchste Zeit für ein Beispiel, damit ihr euch das besser vorstellen könnt. 

Ein sehr anschauliches Beispiel, wie ich finde, ist die Ökonomisierung im Bereich der Bildung. Und damit ist nicht gemeint, dass irgendwelche Firmen in den Schulen Werbung aufhängen und die Schulen dafür Geld bekommen. Oder das Hochschulen immer mehr angewiesen sind auf Forschungsprojekte, die von Unternehmen finanziert oder mitfinanziert werden. Nein, das mag eine Folgeerscheinung sein, aber darum geht es mir nicht. Worum es mir geht, ist viel grundsätzlicher. Und es oft schon so „normal“, dass es uns gar nicht mehr auffällt. 

In Österreich haben wir derzeit eine Wirtschaftsministerin, die heißt Margarete Schramböck. Margarete Schramböck ist von der ÖVP, also einer traditionell eher Unternehmer-freundlichen Partei, und Frau Schramböck selbst ist erst seit Kurzem Politikerin, sie ist Quereinsteigerin und hat zuvor lange Zeit in der Telekommunikationsbranche gearbeotet. Naja, jedenfalls hat Frau Schramböck unlängst in einem Interview gemeint, dass die Gymnasien in Österreich „am Markt vorbei“ produzieren. Gemeint hat sie damit wohl, dass das, was die Schülerinnen und Schüler in einem Gymnasium lernen, nicht das ist, was die Unternehmen später von ihren zukünftigen Mitarbeiterinen und Mitarbeitern brauchen. Dass man also im Gymnasium das Falsche für den späteren Berufseinstieg und den beruflichen Erfolg lernt - Stichwort Fachkräftemangel. 

Naja, dieser Aussage kann man jetzt grundsätzlich zustimmen oder nicht, da gibt es Für und Wider. Wie immer geht es mir in diesem Podcast nicht um eine politische Diskussion, sondern es geht mir darum, dass diese Aussage, nämlich dass „Schule am Markt vorbei produziert“, ein gutes Beispiel ist für die Ökonomisierung eines Lebenbereiches, in dem Fall der Bildung. Was da nämlich passiert, ist, dass die Schulbildung unserer Kinder (also sozusagen der Input) reduziert wird auf die Frage: Kommt da der richtige Output raus? Und noch genauer: Kommt da der richtige Output für unsere Unternehmen heraus? 

Wenn man so argumentiert, dann lässt man klarerweise viele Dinge völlig weg, die in einer Schule passieren oder passieren können und die gut und wichtig für die Kinder sind. Übrig bleibt dann nur mehr die ökonomische Frage: Ist das, was in der Schule passiert und gelernt wird, „wirtschaftlich“ im Sinn von: Ist es nützlich, ist es effizient, ist das Wissen später brauchbar und so weiter. 

So, und jetzt stelle ich mal eine Behauptung auf: Bei diesem Beispiel der österreichischen Wirtschaftsministerin, die fordert, dass sich die Gymnasien mehr am Markt orientieren… Ich behaupte, dass sich viele Menschen da draußen, in Österreich und in Deutschland, denken: „Ja, da hat sie ja recht!“ Und ich behaupte auch, das sich gerade in diesem Moment auch ein guter Teil meiner Hörerinnen und Hörer denkt: „Günter, ich verstehe nicht, was da dein Problem ist. Im Grunde stimmt es ja: Was nützt es denn, wenn die Kinder im Gymnasium sinnlose Sachen lernen, die sie später im Berufsleben nie mehr brauchen?“ 

So, und da muss ich jetzt Karl Marx ins Spiel bringen.  

Tauschwert vs. Gebrauchswert

Karl Marx ist etwas aus der Mode gekommen, das liegt auch daran, dass das Experiment des Kommunismus schrecklich schief gegangen ist. Aber ein Gedanke von Karl Marx ist für das Verständnis dieses Phänomens sehr hilfreich, finde ich, und den möchte ich euch jetzt vorstellen. 
Karl Marx hat nämlich eine Unterscheidung getroffen, wofür das Wissen gut sein kann, das wir im Lauf...