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Description

Worum geht's in dieser Folge?

Diese Folge ist wieder mal ein Philosophicum. Ein Philosophicum ist bei mir immer eine Folge, wo ich, wie der Name schon sagt, ein bisschen philosophieren will und ein bisschen in die Tiefe gehen will. Das ist dann vielleicht eine Folge, wo es weniger praktische Tipps und Tricks zum Mitnehmen für dich gibt, aber dafür nehmen wir uns die Zeit, gemeinsam nachzudenken über unser Leben und unsere Personal Projects, mit denen wir dieses Leben ausfüllen. 

Und in diesem Philosophicum geht es um simple, komplizierte, komplexe und chaotische Personal Project. Genauer gesagt geht es darum: 

  1. Was der Unterschied ist zwischen einem simplen, einem komplizierten, einem komplexen und einem chaotischen Projekt und 
  2. wie wir mit solchen Projekten jeweils umgehen sollten und 
  3. welche Strategien in diesen Projekten jeweils sinnvoll sind. 

Ich denke, das könnte ganz spannend werden. Möge die Übung gelingen! 

Zuerst mal: Die Idee zur Unterscheidung zwischen simplen, komplizierten, komplexen und chaotischen Projekten habe ich vom so genannten Cynefin (sprich Kjunefin) Modell. Dieses Modell kommt eigentlich aus der Systemtheorie und beschreibt verschiedene Systeme. Es wurde vom Wissenschaftler David Snowden und der Beraterin Mary E. Boone entwickelt und ist eigentlich dafür gedacht, Führungskräften dabei zu helfen, die richtigen Entscheidungen in den jeweils unterschiedlichen Situationen zu treffen. 

Als ich dieses Modell gesehen habe, habe ich mir sofort gedacht: Günter, das passt auch super zu Personal Projects. Daraus musst du unbedingt eine Podcast-Folge machen. Naja, und hier ist sie!

 1. Simple Projekte

Simple Projekte sind Projekte, die durch einfache wenn-dann-Beziehungen gekennzeichnet sind. Das heißt, das sind Projekte, wo du sehr zuverlässig sagen kannst: Wenn ich das mache, dann wird das geschehen. 

Also zum Beispiel: Ein Projekt wie „Urlaub planen”. Das ist - normalerweise zumindest - ein simples Projekt. Da gibt es eine Liste von Aufgaben, die zu erledigen sind, aber jede für sich ist ziemlich simpel: Wenn du z.B. auf ein Reiseportal im Internet gehst und dort Urlaubsdestination und Datum eingibst, dann wirst du Vorschläge bekommen. Also eine ganz eindeutige wenn-dann-Beziehung. Wenn du dort was buchen willst, wirst du mit Kreditkarte bezahlen können - oder müssen. Wenn du mit Kreditkarte bezahlt hast, wird das Hotel für dich zum Wunschtermin ein Zimmer frei haben. Wenn du keine zusätzliche Reiseversicherung buchst, wirst du im Schadensfall keine Versicherungsleistung bekommen. Und so weiter, und so fort.

Ein simples Projekt kann also aus einer Vielzahl von einzelnen Arbeitsschritten bestehen. Aber jeder einzelne Schritt hat eine ganz einfache Struktur: Wenn du das und das machst, wird das und das geschehen. Wenn du das und das nicht machst, wird das und das nicht geschehen. Also jeder einzelne Schritt für sich ist relativ simpel. Die Menge an notwendigen Schritten kann das Projekt zwar anstrengend machen, aber mit ein bisschen Ruhe und Konzentration solltest du jeden einzelnen der Schritte selber bewältigen können. Deshalb brauchen viele Menschen, Dank des Internets, heute kein Reisebüro mehr für die Buchung ihres Urlaubs.

Andere Beispiele für simple Projekte wären Projekte wie „Endlich mein Fahrrad reparieren” oder „Die Prüfungen meiner Schüler korrigieren” oder auch „Beim Kasperltheater im Kindergarten meines Sohnes mitspielen”. Diese Projekte sind zwar mehr oder weniger aufwendig, aber von ihrer Struktur her, von dem, wie das Projekt insgesamt ablaufen wird, sehr überschaubar und auch vorhersehbar. Wir haben intuitiv einen recht guten Plan davon, wie wir vorgehen müssen - nicht zuletzt, weil wir von ähnlichen Projekten, die wir im Laufe unseres Lebens gehabt haben, wissen, wie man solche Projekte angeht - und wie besser nicht.
Die Mehrzahl unserer Personal Projects sind simple Projekte. Gott sei Dank, wie wir sehen werden. Denn bei den nächsten Projekten wird es schon kompliziert.

 2. Komplizierte Projekte

Und damit sind wir auch schon bei den komplizierten Projekten. Was macht ein Projekt zu einem komplizierten Projekt?

Naja, in erster Linie die Tatsache, dass man zur Erledigung dieses Projekts Expertenwissen braucht. Und wenn man es selbst nicht hat, dann muss man sich für komplizierte Projekte Berater oder Helfer dazu holen, weil man es alleine nicht bewältigen kann.

Ein Beispiel für ein kompliziertes Personal Project wäre „Wir bekommen ein Baby”. Überleg dir mal, wie viele Experten mit ihrem Expertenwissen rund um die Geburt, von der Feststellung der Schwangerschaft bis zum Verlassen des Krankenhauses, an diesem Projekt mitarbeiten. Das sind unglaublich viele! Da ist z.B. die Gynäkologin, die Hebamme, die Krankenschwestern, die Beamten am Standesamt, die unzähligen Ratgeberbücher rund um die Geburt, da gibt es Geburtsvorbereitungskurse, da bekommt man Ratschläge und Tipps von den Eltern und von den Schwiegereltern und von Freunden und von wildfremden Menschen. Also eine Menge Menschen, die ihr Expertenwissen ins Projekt einbringen, weil man selbst, als werdende Eltern, gar nicht das ganze Wissen hat, das nötig wäre, um dieses Projekt zu bewältigen. Man wird zwar mit jeder weiteren Schwangerschaft immer kompetenter, und das Projekt wird weniger kompliziert - das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen, beim zweiten Kind ist man schon viel entspannter als beim ersten - aber trotzdem: Auch bei der fünften Schwangerschaft wird man noch immer Expertenhilfe brauchen, weil das Projekt „Wir bekommen ein Baby” immer kompliziert bleiben wird.

Komplizierte Projekte lassen sich also nur dadurch lösen, dass wir uns jene Kompetenzen und jenes Wissen dazu holen, das wir selbst nicht haben, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Andere komplizierte Projekte wären zum Beispiel „Bei den Eltern ausziehen und die erste eigene Wohnung suchen” oder „Mein Testament machen”. Alle Dinge, die wir zum ersten Mal machen und die sehr starke Auswirkungen auf unser weiteres Leben haben werden, sind tendenziell kompliziert - aber noch nicht notwendigerweise komplex.

Womit wir auch schon bei der nächsten Kategorie wären.

 3. Komplexe Projekte

Wir haben ja gesagt, dass uns bei komplizierten Projekten das Wissen oder die Kompetenz fehlt, um selbst das Projekt zum Erfolg zu bringen. Deswegen müssen wir uns Experten dazu holen. Aber wenn wir das tun, dann haben auch komplizierte Projekte eine sehr hohe Chance, gut über die Bühne zu gehen. Weil die Experten ja wissen was sie tun. Man könnte auch sagen: Für eine Hebamme, die einige Jahre im Geschäft ist, ist eine Geburt kein kompliziertes, sondern wahrscheinlich ein ziemlich simples Projekt. Zumindest die allermeisten Geburten. Daher können wir uns bei komplizierten Projekten ziemlich gut darauf verlassen, dass wenn wir tun, was die Experten sagen, das Projekt einen guten Abschluss finden wird.
Bei komplexen Projekten ist das anders. Komplexe Projekte haben so viele Variablen, so viele Ungewissheiten, dass es nicht mehr möglich ist vorauszusagen, was passiert, wenn wir das oder das tun. Und auch Experten helfen uns dabei nicht mehr. Bei komplexen Projekten kann dir einfach niemand sagen, was passieren wird, wenn du etwas tust oder etwas nicht tust. 

Ein Beispiel für ein komplexes Projekt ist „Mein eigenes Unternehmen gründen”. Das ist mehr als kompliziert, das ist komplex. Weil dir bei so einem Projekt niemand im Vorhinein sagen kann, was du tun sollst, damit du Erfolg hast. Der Erfolg deine...