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Ein sehr interessanter Podcast, aber ich habe wie andere hier in den Kommentaren so meine Probleme mit der Begründung: Die Türkei passt nicht zu Euroa, weil falscher Kulturraum. Das liegt an folgendem:

Matthias spricht zwar von der Entstehung der Nationalstaaten in Europa, definiert aber nirgends, was er damit meint. Das Idealbild des Nationalstaates ist das des Einheitsstaates: Ein geographisch bestimmter Raum, in dem 1. das gleiche Recht gilt (Rechtstaat), der 2. ein geschlossenen Wirtschaftsraum bildet (Wirtschaftstaat) und der 3. ein geschlossener Kulturraum ist (Kulturstaat). Dieses Ideal war in der ägyptischen Hochkultur nahezu verwirklicht (wenn auch unter der absoluten Dominanz der Religion, mithin der Kultur).

Bei allen neueren Versuchen einen Einheitsstaat zu etablieren stand mindestens eine dieser drei Komponenten quer. Frankreich hatte es noch recht einfach, die sind in den Nationalstaat hineingewachsen, aber es gibt auch die Basken, Bretonen und Elsässer. In Deutschland hat man versucht die nationale Identität durch die Feindschaft zu Frankreich zu basteln (mit dem im Podcast beschriebenen Erfolg) und der zweite Versuch eine deutsche Nationalidentität zu definieren und (per Gleichschaltung) durchzusetzen führte sofort wieder in die Katastrophe. In der Türkei wurden die Armenier verfolgt weil sie nicht ins Bild des Einheitstürken passten, und die heutigen Probleme zwischen Kurden und dem türkischen Staat haben kulturelle Ursachen. Mit der Einheit von Recht- und Wirtschaftstaat ist es nicht einfacher, man betrachte nur den Irrsin der Autarkiebestrebungen.

Die EU entstand als Europäische Wirtschafts Union. Als solche war sie enorm erfolgreich. Sie baut auch auf der Grundlage der sowieso recht homogenen Rechtslage: In ganz Europa ist der Code Napoleon eine wichtige Grundlage. Seit Atatürk im übrigen auch in der Türkei!

Es ist oft gesagt worden, daß die Kultur Europas eben genau daraus bestünde, daß wir viele Kulturen haben. Es gibt keine Einheit von Kulturraum und Wirtschaftsraum in Europa. Und das ist gut so! Daher ist mir jede Argumentation á la “die Türkei nich, die haben die falsche Kultur” grundlegend suspekt.

Wenn das mit Europa was werden soll, dürfen wir Europa nicht als Einheitsstaat sehen! Und wir müssen einen “Rechtsraum Europa” gestalten, der nicht von den wirtschaflichen Interessen einzelner Staaten bestimmt wird. Wir müssen uns von der Wahnidee des Einheitsstaates verabschieden, sowohl für ganz Europa, als auch für jeden einzelnen der beteiligten Staaten.

http://www.wrint.de/2013/03/26/wr162-ortsgesprach-matthias-von-hellfeld-wg-europa/