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Bahnhöfe waren und sind besondere Orte. Als Kathedralen der Moderne zogen sie früher alle möglichen Menschen an: Reisende, Arbeiter*innen, Randexistenzen, Glücksritter und Demagog*innen. Heute müssen ganz oder teilweise großen Wohn- und Geschäftsprojekten weichen.
Der Nordwest-Bahnhof war der wichtigste Wiener Bahnhof der Doppelmonarchie. In den 1870er Jahren errichtet war er eines der größten infrastrukturellen Projekte der Kaiserstadt und sollte die Metropole mit den wichtigen Industrie- und Agrargebieten in Böhmen und Mähren verbinden. Das über 40ha große Gelände teilte den Bezirk Brigittenau für über 150 Jahre in zwei Teile.
Der größte Bahnhof der Kaiserstadt durchlief eine äußerste wechselhafte Geschichte. Von der
Hauptanlaufstelle für Waren und Menschen aus der Monarchie hin zu einem wirtschaftlichen und
infrastrukturellen Problemkind der Ersten Republik bis zur Neuerfindung als Bahn-LKW
Umschlagterminal in den 1960er Jahren, der als Verkehrsknotenpunkt für eine Wirtschaftslinie
agierte, die von der Nordsee bis in den Iran reichte. Er war Filmkulisse, Schrottplatz, Skipiste, Fischfabrik, Aufmarschplatz der Austrofaschisten und Nazis und Ausstellungsort für Anti-Semitische Ausstellungen der schlimmsten Ausprägung. Mit der endgültigen Stilllegung in den 2010er Jahren findet das Areal eine neue Nutzung durch intensive Wohnraumbewirtschaftung. In den nächsten Jahren sollen dort 17.000 NeubewohnerInnen des Bezirks ansässig werden, was eine massive Veränderung des gesamten Bezirks mit sich bringen wird.