James Joyce, Marcel Proust und Franz Kafka gelten weltweit als die einflussreichsten Erneuerer der Prosaliteratur im 20. Jahrhundert. Die Texte dieser Autoren unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht voneinander, doch mindestens eine spezifische Eigenschaft haben alle drei gemeinsam: das hohe Maß an literarisch dargestellter Selbstreflexion und radikaler Subjektivität einzelner Figuren. Bei Joyce gilt das natürlich insbesondere für seinen berühmten Roman „Ulysses“, aber auch für das 1914 erschienene Buch „Dubliners“, das u.a. die hier präsentierte Erzählung enthält.
In „Eine kleine Wolke“ verwendet Joyce das seit Homer in der Literatur in vielfachen Variationen auftauchende Motiv des Aufbruchs, lässt den Protagonisten Thomas Little Chandler davon träumen, das kleine, trübe Dublin zu verlassen und in London doch noch Karriere als Lyriker zu machen. Anlass dazu ist ein Treffen mit einem alten Freund (Chandlers Alter Ego), dem vor vielen Jahren ein solcher Aufbruch geglückt war. Und mitten in seinen Reflexionen in Bezug auf sein bisheriges Leben und Imaginationen vom eigenen Aufbruch wird Chandler von der sogenannten Realität eingeholt. Der Traum löst sich auf wie „eine kleine Wolke“: Er scheitert nicht nur mit dem Plan, Dichter zu werden, sondern auch kläglich als Ehemann und als Vater. Das Ende dieser Geschichte ist in hohem Maße tragisch, ja fast unerträglich.
Es liest – in einer Mischung aus Dezenz und Anteilnahme – Stefan Nászay.