Streaming-Dienste wie Netflix und Prime sind die großen Gewinner der letzten Jahre. Und auch die Mediatheken der Sender sollen sich immer mehr vom Content-Archiv zur Streaming-Plattform entwickeln. Denn Linear-TV ist „tot“ und junge Menschen nur über On-Demand-Angebote erreichbar. Eine Theorie, die wie eine selbsterfüllende Prophezeiung zur Benchmark erfolgreicher Medienmanager geworden ist. Programmplaner gehören einem aussterbenden Berufsstand an. Ebenso angeblich Kinoschaffende. Denn auch das Kino wird seit Jahren -mal wieder- totgeredet. Und wenn dann ein ersehnter Blockbuster wie James Bond mit 5 Millionen Kino-Zuschauern in Deutschland den Lichtspieltheatern wieder Leben einhaucht, entscheidet sich Warner im Falle der epischen Neuverfilmung von „Dune“ doch lieber zur zeitgleichen Veröffentlichung auf allen nur denkbaren Streaming- & Download-Kanälen – obwohl dieser Film von der großen Leinwand lebt.
Genauso unverständlich ist der Trend, den angeblichen Herzenswunsch der Kultur-Konsumenten -das „Binge-Watching“ aka Koma-Glotzen“- zum Standard der Serienveröffentlichungen auf den Plattformen und Mediatheken zu machen. Auch bei ARD und ZDF. Unverständlich wenn es um die optimale Präsentation einer Produktion geht, an denen hunderte Menschen Monate gearbeitet haben. Verständlich aus Marketingsicht für den Verkauf von Flatrate-Abo. Schlecht für den Respekt vor kreativer Arbeit.
Für die neue Episode der Turtlezone Tiny Talks debattieren Dr. Michael Gebert und Oliver Schwartz über die paradoxe Situation, dass Netflix und Prime viel Geld in hervorragende Eigenproduktionen investieren, aber auch diese exklusiven Programmperlen ohne Not auf dem Wühltisch des Überangebots verheizen. Konnte eine Serie bislang Menschen über Monate fesseln und für Gesprächsstoff sorgen, ist sie nun schon nach kurzer Zeit nur noch ein beliebiges Angebot auf dem All-you-Can-Watch-Buffet. Und „Dune“ zum Kinostart auf Smartphone oder Computer zu streamen ist wie der Kontrast zwischen einer 5-Minuten-Suppe und dem Sternerestaurant. Und dieser Trend betrifft nicht nur Fernsehen und Kino. Im gesamten Kultur- und Kunstmarkt verlieren die einzelne Künstlerin, der einzelne Künstler und deren Werke im Kontext der Flatrate-Abos an Bedeutung.