Die Adventszeit hat begonnen. Besinnlich ist sie – und damit ist nicht gemeint, dass im Fernsehen das „Adventsfest der 100.000 Lichter“ mit Florian Silbereisen ohne Trigger-Warnung ausgestrahlt wird. Das ist ein Angebot für eine Zielgruppe, die die „Rentenrebellen“ der JU nur aus den Augenwinkeln wahrnehmen. Laut Eigenwerbung eine Mischung aus „emotionalen Momenten, festlicher Musik und stimmungsvoller Kulisse aus Suhl“. Aber die echte Adventszeit ist seit Jahrhunderten tief in unserer Kultur verwurzelt.
Den Jüngeren sei erklärt: Alles läuft auf Weihnachten hinaus – das beliebteste aller Verpflichtungsgeschäfte. Schon im alten Rom war Schenken nicht folgenlos: „Donum non est gratuitum, sed obligatio.“ Die Heiligen Drei Könige machten den Anfang mit Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im Gegenzug bot das Jesuskind Erlösung und Weltfrieden. Von wegen „dieses Jahr schenken wir uns nur Kleinigkeiten“!
Zwischen Lebkuchen im Laden und Blockflöte unterm Baum liegen nur wenige Monate. In dieser Zeit müssen Geschenke besorgt werden – für Liebste und Familie. Das setzt uns unter Druck. Eigentlich geht es aber um innere Vorbereitung: Fasten, Einkehr, Verzicht. 40 Tage lang, wie Jesu Fasten in der Wüste. Daher die Partys: Ostern minus 40 ist Karneval, Weihnachten minus 40 ist St. Martin. Dort wird traditionell eine Gans verzehrt – früher ein Mitesser, heute Tiefkühlware.
Fastenzeit vor Ostern ist bekannt. Wenn man es Digital Detox oder Intervallfasten nennt, ist es sogar instagrammable. Vor Weihnachten gibt es die Verzichts-Challenge nur in der Ostkirche, das sogenannte Philippus-Fasten. Mit Ostkirche ist die Orthodoxie gemeint – nicht die Kirche in den Beitrittsgebieten nach Art. 23 GG.
Und wenn nach Sankt Martin der letzte Mantel geteilt ist? Bauern hatten im Winter mehr Freizeit, aber weniger Einkommen. Also ran an die Werkbank: Nussknacker drechseln, Kerzen ziehen, Deckchen klöppeln. Alles auf den Markt. Diese Idee war so gut, dass 1296 die Wiener Händler von Herzog Albrecht I. das Recht erhielten, einen „Dezembermarkt“ abzuhalten. Stadtmarketing war geboren.
Apropos „Dezembermarkt“: Natürlich muss es Weihnachtsmarkt heißen. Volkstümliche Erzählungen behaupten, man habe unsere Märkte umbenennen müssen, weil „Menschen, die nicht von hier kommen“ es so wollten. Tatsächlich gilt: Ein Weihnachtsmarkt wird meist als Spezial- oder Jahrmarkt nach §§ 68 ff. GewO festgesetzt. Damit erhält er Privilegien wie längere Öffnungszeiten, Verkauf an Sonn- und Feiertagen, vereinfachte Gewerberegeln – aber auch strenge Auflagen bei Sicherheit und Genehmigung. Ein Wintermarkt hingegen wird oft als Privatveranstaltung ohne Festsetzung durchgeführt. Dadurch entfallen Privilegien, aber auch viele Pflichten – was für Veranstalter günstiger ist.
Anders gesagt: „Hör mer uff! Nu klon se uns och noch de Weihnachtsmärkte. Is is mir egol, ob’s erst viertel zwee is – gib mer noch vier Glühween mit Schuss, aber so richtsch.“
Dies – und vieles mehr – in der 41. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.