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Sich einen Ruf zu erarbeiten, in die Geschichte einzugehen, sich einen Namen zu machen, ist ein hartes Geschäft. Für viele sogar eine Lebensaufgabe. Bismarck entwarf dereinst eine Metapher, bei der man den beleibten preußischen Junker förmlich in seiner ordensbekleckerten Paradeuniform vor sich stehen sieht: „Man muss den Herrgott durch die Weltgeschichte schreiten sehen und dann den Zipfel seines Mantels ergreifen.“ So spricht der Vater des Vaterlandes! „Und doch wird der Bismarcksche Nachruhm von Doppelkorn und Hering überlagert. Als Ergebnis eines langen politischen Lebens ist das ein klein wenig unfair!
Manchmal dauert der Eintritt in die Geschichte nur einen Augenblick und niemand hat ihn kommen sehen. Vor allem die Protagonisten selbst nicht. So der 19-jährige Konrad Schumann, der sich im August ’61 just dann zum Sprung über die noch sehr unvollständige Mauer entschloss, als der Fotograf einen neuen Film eingelegt hatte. Oder Eric Moussambani aus Äquatorialguinea. Bei den Olympischen Spielen in Sydney 2000 schwamm er die langsamste Zeit über 100 Meter Freistil und wurde weltberühmt. Das hatte er sich beim Frühstück im Olympischen Dorf wohl so nicht vorgestellt.
Gelegentlich ist es wie beim Abreißen des Pflasters. Kurz, ratsch, und dann tut es doch noch ein Weilchen weh. Wie bei Jana aus Kassel. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die junge Dame im Nachhinein ihre Sophie-Scholl-Gefühle lieber für sich behalten hätte. Trapattonis Lebenswerk ist mit „Isch habe fertig“ wohl ebenso unzureichend zusammengefasst wie die Reduktion auf die „Hand Gottes“, Gomez’ Fehlschuss und Andy Möllers Schwalbe.
Dabei kann es im Sport auch ganz anders laufen. Beim Turnen oder Eiskunstlaufen wurden ganze Figuren nach ihren Erfindern benannt. Auerbach, Axel, Lutz, Ginger und Bielmann haben sich mit den lizenzfreien Nachahmern ihren Platz auf dem ewigen Siegerpodest verdient. Anderes Beispiel: „Mach ihn, mach ihn! Er macht ihn! Götze!“ dauerte im Laufen, Schießen und Moderieren exakt 3,2 Sekunden und reicht sowohl Mario Götze als auch Reporter Tom Bartels, um nie wieder Cocktails an der Hotelbar bezahlen zu müssen. Sheesh!
Damit kann, damit muss man aber auch ein Leben lang klarkommen. Auf die eine Sache, den einen Moment reduziert zu werden, kann einträglich und unerträglich zugleich sein. Zum Glück kann Götze einfach weiter irgendwo Fußball spielen – und wenn es nur in Frankfurt ist. Er muss nicht immer und immer wieder dieses eine Tor schießen. Das ist schön. Aber ob Gottlieb Wendehals sein Karo-Jackett, sein Gummihuhn und vor allem seine Polonäse Blankenese wirklich 40 Jahre lang so lustig wie beim ersten Mal fand? Hoffentlich nicht.
Auch Gavrilo Princip, der am 28. Juni 1914 den Österreicher Franz Ferdinand Habsburg erschoss, strebte nach Unsterblichkeit. Er wollte damit ein politisches Zeichen setzen und natürlich berühmt werden. Das ist gelungen. Bis in die 1990er Jahre war die Straße des Geschehens (Principova ulica) nach ihm benannt. Da er zur Tatzeit unter 20 war, konnte er nicht zum Tode verurteilt werden. Princip starb 1918 im Gefängnisspital Theresienstadt. Kurioserweise hätte er den Ersten Weltkrieg also fast überlebt. Der von ihm getroffene Habsburger Stammhalter gab seiner bei dem Attentat neben ihm sitzenden Frau einen kurzen Lagebericht: „Es ist gar nichts!“ Seine letzten Worte. Man lehnt sich wohl nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn man das in der Rückschau sowohl persönlich als auch weltpolitisch als Fehleinschätzung wertet.
Apropos letzte Worte: „Schieß ruhig, du Feigling. Du wirst einen Mann töten, …“ rief Ernesto „Che“ Guevara, einer der bärtigsten Revolutionär überhaupt, einem Soldaten zu, der nicht einmal das Satzende abwartete und ihn erschoss. Er wollte noch „… aber du wirst nicht die Revolution aufhalten können.“ In der Kurzform ist es aber irgendwie stimmiger.
Dies – und vieles mehr – in der 40. Folge von: Ungefährliches Halbwissen – The Last Missing Podcast.