Chefinspektor Clouseau hat wieder einen neuen Fall: Es ist mal wieder ein Juwel geraubt worden. Aus zuverlässiger Quelle hat der Inspektor (Verzeihung, Chefinspektor) erfahren, dass drei Personen als Diebe in Frage kommen: Alice, Bob und Charly, vielleicht sogar mehrere von ihnen. Die Ermittlungen von Kommisar Dreyfus ergeben folgendes:
(1) Ohne Charly würde Bob nie einen Einbruch begehen. (2) Alice hingegen kann Charly nicht ausstehen und würde nie mit ihm zusammen ein Ding drehen. (3) Ein Zeuge ist sich sicher, Bob oder Charly zur Tatzeit in einem pittoresken Lokal einen Cappuccino schlürfen gesehen zu haben, kann sich aber nicht erinnern wen. (4) Auf einem Überwachungsvideo ist klar zu sehen, dass mindestens ein Täter mit Glatze an dem Diebstahl beteiligt war.
Wen sollte Chefinspektor Clousseau daraufhin alles verhaften lassen? (Dies ist übrigens eine ganz andere Frage als wen er tatsächlich verhaften wird. Wie Kommisar Dreyfus Ihnen ausführlich würde bestätigen können, folgt die Logik des Chefinspektors ihren ganz eigenen Regeln.)
In der Aussagenlogik geht es darum, solche Fragen zu klären, indem die Beziehungen zwischen Aussagen systematisch untersucht werden. Bei dem obigen Beispiel gibt es drei Aussagen, die wahr oder falsch sein können und die in Beziehung gesetzt werden: Die erste lautet »Alice war beteiligt«, die zweite »Bob war beteiligt« und die dritte »Charly war beteiligt«. Wirklich spannend ist nun die Frage, wie diese Aussagen mittel Junktoren wie »und«, »oder«, »nicht« oder auch »wenn, dann« verbunden sind. Solche durch die Verbindung mehrerer Aussagen entstandenen Sätze nennen wir originellerweise Formeln, auch wenn hier überhaupt nicht gerechnet wird.
Wie sollte man Formeln aufschreiben? Mathematiker und Informatiker hegen allgemein eine gewisse Antipathie gegen einfache, verständliche Notationen, weshalb Sie in der Aussagenlogik statt »ein Zeuge ist sich sicher, Bob oder Charly zur Tatzeit in einem pittoresken Lokal einen Cappuccino schlürfen gesehen zu haben, kann sich aber nicht erinnern wen« schreiben müssen »$\neg(b \land c)$«, in Java hingegen !(b && c). Fairerweise muss man zugestehen, dass die »mathematische« Notation einer Formel auch gewisse Vorteile hat. Es ist sprachlich nämlich alles andere als leicht, den Unterschied zwischen $(a \land (b \lor c))$ und $((a \land b) \lor c)$ auszudrücken (versuchen Sie es doch einmal). Ebenso gibt es in der Umgangssprache fiese Fallstricke: »es gelten nicht a, b und c« bedeutet dasselbe wie »es gelten nicht a, b oder c«. Daher die besagten Antipathien: Mathematiker bevorzugen die symbolbasierte Darstellung, da diese Mehrdeutigkeiten zuverlässig verhindert, Informatiker bevorzugen sie, weil sie maschinenlesbar ist.