Spoiler Alarm!!! Wenn du dir die Spannung dieser Folge aufrecht erhalten möchtest, dann lies erst weiter, wenn du sie dir angehört hast. Bilder und Inhalte lassen auf das Ende der Folge schließen.
Wenn ich an diesen zweiten Reisetag zurückdenke, bekomme ich regelmäßig Gänsehaut. Was mir an diesem Tag widerfahren ist, war Hilfsbereitschaft, wie man sie sonst nur in Büchern oder Filmen trifft.
Auf meinen früheren Reisen habe ich schon ein paar Mal Menschen getroffen, die zu mir sagten, dass es für sie jetzt Zeit wäre zurückzugeben. Ihnen wäre schon viel passiert auf der ganzen Welt und jetzt wären sie es, die an der Reihe wären mit dem Geben.
Ich habe das immer als Hochstapelei betrachtet und dachte, dass das etwas viel Pathos sei.
Da war zum Einen Jerry, ein New Yorker Stadtführer, der in den 70er und 80er-Jahren viel durch Indien und Südostasien gereist war. Wir lernten uns auf einer seiner legendären Führungen durch New York City kennen. Für $10 führte er Gruppen von Hostelbesuchern 16 Stunden lang und 20km weit durch Brooklyn und Manhattan. Von der 110th Street, kurz vor der Bronx, wo wir uns morgens um acht Uhr trafen, bis zu einem geheimen Ort am Times Square, an dem wir weit nach Mitternacht das Treiben der unendlich vielen Neonreklamen und Werbebanner von oben bewunderten.
Diese Tour machte er zwei Mal die Woche, dienstags und samstags. Für alle, die mitkommen wollten und wenig Geld hatten. Für ihn war das sein Weg zurückzugeben. Die $10, versicherte er mir, nahm er nur, um irgendeine Form des Gegenwertes auf den Aushang zu schreiben, sonst würden ja jedes Mal dutzende Menschen mitkommen.
Ein anderes Mal, Jahre vorher auf einer Work & Travel Reise, besuchte ich zusammen mit Katha Chicago. Dort hatten wir mangels finanzieller Alternativen auf der Plattform couchsurfing.com ein paar Gastgeber:innen angeschrieben und gefragt, ob wir 1-2 Tage bei Ihnen verbringen dürften. So lernten wir ein nettes mid-fünfziger Paar kennen, die uns Tür und Tor öffneten. Sie hatten eine Tochter, die in unserem Alter war und die ein Jahr zuvor Europa bereist hatte. Sie war monatelang überall bei Couchsurfern untergekommen. Und so hatten die beiden den Wunsch etwas zurückzugeben – um einen Ausgleich zu schaffen für die Erfahrungen ihrer Tochter. Frei nach dem Motto: Wenn jeder einmal am Tag einen Euro findet, dann geht ihm besser. Und wenn jeder dann noch einen Euro hinter sich fallen lässt, dann geht es allen besser.
Wir blieben eine ganze Woche bei den beiden und bekamen die wahrscheinlich beste Stadtführung, die jemals ein Mensch durch Chicago bekommen hat. Mit dem Cabriolet von Insiderplatz zu Insiderplatz. Wir aßen bei der originalen Chicago Deep Dish Pizzeria, aßen Nüsse bei einem Spiel der legendären Baseball Mannschaft Chicago Cubs und bekamen sogar einen eigenen Hausschlüssel, „to come and go as we please“.
Wir fühlten uns mehr als geehrt und waren glücklich über diesen tollen Zufall.
Die Begegnungen, die ich im April auf dem zweiten Tag meiner Reise gemacht habe, reihten sich gewissermaßen in diese Erfahrungen ein. Und dennoch fühlten sie sich anders an. Sie waren nicht aus dem Wunsch entstanden, etwas zurück zu geben. Sie waren aus reiner Nächstenliebe entstanden. Die „Notlagen“, wenn man sie überhaupt als solche beschreiben kann, war in beiden Fällen beherrschbar. Ich hätte jederzeit ein T